Die klassische Eckkneipe ist tot. Diesem hartnäckigen Gerücht widersprechen Renate Kuhn und Frauke Härtel mit dem Imme vierzehn.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Lehenviertel - Wer heutzutage in die Gastronomie einsteigt, macht in der Regel einen Systemgastroladen auf, wo es meistens dasselbe gibt wie zwei Ecken weiter. Die Institution Eckkneipe, das zweite Wohnzimmer in der Nachbarschaft, lohnt sich für einen Wirt heute kaum noch. Völlig gegen den Trend der Zeit also ist es, wenn jemand am Rande des Heusteigviertels eine neue Eckkneipe aufmacht, wo die letzte eigentlich schon vor zehn Jahren geschlossen hatte. Damals gehörte das Imme Ina, der Besitzerin von „Ina’s Schirmstüble“. Zwei junge Frauen habe die Eckkneipe Jahre später – nachdem sie dazwischen eine Shisha-Lounge beherbergt hatte – wieder zum Leben erweckt. Seit September sind Frauke Härtel und Renate Kuhn die stolzen Besitzerinnen des Imme vierzehn.

 

Es ist bereits mutig, heutzutage eine Eckkneipe zu eröffnen. Noch mutiger ist es, wenn dies zwei junge Frauen Mitte Dreißig tun, die in der Gastronomie davor nur so ein bisschen zu Hause waren. So hat Frauke Härtel ein BA-Studium in Hotel- und Gastronomiemanagement abgeschlossen und Renate Kuhn sammelte ihre Gastroerfahrung als Barchefin in der Bar im Westen und im Bix-Jazzclub .

Kennen gelernt haben sich die beiden schon vor Jahren über eine gemeinsame Freundin. Den Gedanken, eine Kneipe aufzumachen, hatten sie schon länger. Eigentlich haben die beiden nur auf die richtige Location gewartet. „Der Platz ist perfekt“, sagt Härtel. „Alles hat gepasst. Unser Gefühl, die Lage und die Größe“, ergänzt Kuhn. Beide wohnen zudem um die Ecke. Innerhalb von einem Tag haben sich die beiden deshalb für die Kneipe entschieden – ohne lange zu überlegen.

Kuhn ist für die Bar zuständig, Härtel für die Küche

Auch inhaltlich ergänzen sich die beiden perfekt: Kuhn ist für die Bar zuständig, Härtel für die Küche. Anfangs kochte sie sogar die Speisen noch gemeinsam mit ihrem Vater selbst. „Wir wollten erst einmal schauen, ob die Leute zum Essen oder eher zum Trinken kommen“, sagt Härtel. Das Essen wurde jedoch so gut angenommen, dass die beiden inzwischen einen ehemaligen Gast als Koch eingestellt haben. Nun ist Tino Seittler im Imme vierzehn für die schwäbischen-regionalen Spezialitäten zuständig. Weil Seittler aber Halb-Thailänder ist, gibt es auch immer wieder Gerichte mit asiatischer Note. „Die Thai-Tino-Suppe ist schon legendär bei unseren Gästen“, sagen die Gastronominnen. An Silvester haben die beiden sogar ein Fünf-Gänge-Menu serviert. „Das war ein weiterer Schritt nach oben“, findet Kuhn.

Wobei eine Luxus-Kneipe nicht das Ziel der beiden ist. Bewusst haben sie bei den Renovierungen den Charme der alten Kneipe erhalten. Verbunden mit der 70er-Jahre-Tapete, hier und da ein bisschen Nippes und Blümchen auf den Tischen sieht man dem Imme an, dass es von zwei Frauen geführt wird.

In den Stadtteil sind die beiden schon integriert, die Stammkundschaft kommt aus der Nachbarschaft. „Es ist eine sehr persönliche Atmosphäre“, sind sich beide einig. Eine von ihnen ist immer vor Ort, inzwischen wissen sie, was die meisten Gäste trinken wollen. „Ein bisschen ist man ja auch Psychologe“, meint Kuhn. Viele kommen alleine, setzen sich an die Theke und suchen einen Gesprächspartner.

Genau das wollen die beiden sein. Eine Stadtteilkneipe, die das zweite Wohnzimmer ihrer Nachbarn ist. „Eine Kneipe, in die wir selbst auch gerne gehen“, betont Härtel. Mit dem Imme vierzehn haben sich die beiden Frauen einen Traum erfüllt.

Die Anwohner freuen sich kaum über die Kneipe

Doch das erste Glück über die eigene Kneipe ist bereits etwas getrübt worden. Denn nicht jeder in der Nachbarschaft freut sich offenbar über die Gaststätte. Einige Anzeigen wegen Lärmbelästigung haben die beiden Frauen schon bekommen. Auch sonst finden Anwohner viele Dinge, die sie stören und weshalb sie das Ordnungsamt vorbeischicken können. Mal ist es der Müll, mal eine zu laute Klospülung. „Wir rechnen schon jede Woche mit etwas“, sagt Härtel. In manchen Nächten raube ihr dies den Schlaf. „Als wollten sie uns vertreiben.“ Sie vermutet, dass es auch daran liegt, weil sie Frauen sind. Weil es unüblich ist, dass die eine Kneipe führen. Langfristig wollen sich die beiden das nicht gefallen lassen. Für die Zukunft haben sie noch einige Pläne. Und längst ist das Imme vierzehn bei vielen anderen im Stadtteil zur Lieblingskneipe geworden. Nicht mehr wegzudenken also.