Nach fünf Jahren Debatte, besorgten Stellungnahmen des OB und zweier Akademieleiter sowie unzähligen Anträgen im Gemeinderat ist nun für 4000 Euro ein Toilettenhäuschen auf dem Akademiehof da.

Ludwigsburg - Die Ludwigsburger SPD-Fraktionschefin Margit Liepins ist eine gewissenhafte Frau. Sie führt eine Liste mit offenen Fragen, die sie sich für September zurecht gelegt hat – wenn die kommunalpolitische Saison wieder beginnt. Ganz oben auf der Liste steht: Toilette am Akademiehof. Nun kann sie diesen Punkt abstreichen. Denn an diesem Freitag, 12. August 2016, um 9.28 Uhr mitteleuropäischer Zeit, haben es die Stadt und die Stadtwerke verkündet: „Stilles Örtchen für den Akademiehof“, lautet die Überschrift einer Pressemitteilung. Es ist das Ende einer fast byzantinisch wirren Debatte.

 

Die ersten Anträge im Gemeinderat dazu datieren aus dem Jahr 2011. Schon damals bestand das Problem: Wenn es schnell gehen muss, nutzen die Jugendlichen des nächtens die Tiefgaragentreppen für das kleine Geschäft. Inzwischen haben die Stadtwerke sagenhafte 50 000 Euro dafür ausgeben müssen, das Treppenhaus immer wieder zu reinigen und die Wände zu erneuern, weil der Urin sozusagen Nacht für Nacht nachgeliefert wurde.

Ein festes Häuschen hätte 250 000 Euro gekostet

Die Debatte plätscherte lange vor sich hin. Am Restaurant Blauer Engel oder an der Theaterakademie war ein dauerhaftes, festes Häuschen gut getarnt geplant. Die Kosten für eine Lösung stiegen auf bis zu 250 000 Euro. So viel für eine Toilette? In der Not kam man vor zwei Jahren auf die Idee eines Provisoriums. Aber eine Art Dixie-Klo im architektonisch anspruchsvollen Akademiehof? Da stellten sich die Leiter der Film- und der Kunstakademie, Thomas Schadt und Elisabeth Schweeger, quer.

Auch dem Oberbürgermeister soll das nicht gepasst haben. Das WC wurde von der Petitesse zum Politikum. Im April 2015 gab es gleich zwei neue Anträge im Gemeinderat – einen interfraktionellen von CDU, SPD, FDP und Grünen sowie einen der Freien Wähler. Der Tenor: her mit dem Provisorium! „Nicht mehr in diesem Jahr“, ließ die Verwaltung im Frühjahr verlauten. Der Strom des Protestes der Räte schwoll daraufhin an: Einstimmig und ultimativ forderte der Bauausschuss das stille Örtchen. Doch die ersten heißen Tage kamen – und nichts änderte sich.

„Der Sommer ist ja schon halb vorbei“, sagte die künftige Grünen-Sprecherin Elfriede Steinwand-Hebenstreit. Auch der FDP-Mann Johann Heer wunderte sich schon. Ob der OB Werner Spec persönlich das unliebsame Thema wohl verschleppt oder gar Verzögerungstaktiken erprobt?

Die Erleichterung ist so groß wie nach dem Wasserlassen

Alle Vermutungen können nun getrost die Toilette herunter gespült werden. Denn jetzt steht es da. Für die Kosten wurde ein salomonischer Kompromiss gefunden: Die 4000 Euro für den Bau und 450 Euro Betriebskosten tragen die Stadtwerke. Unterhalt, die Reinigung und die schwarze Verschalung des Häuschens zur architektonischen Einbettung muss das Rathaus bezahlen, wie der städtische Pressesprecher Peter Spear auf Anfrage mitteilt.

Die Erleichterung ist fast so groß wie nach dem Wasserlassen. „Es war höchste Zeit“, seufzt der Freie-Wähler-Sprecher Reinhardt Weiss am Telefon, der im Urlaub am Kaiserstuhl weilt. Die widerspenstigen Akademieleiter sind ebenfalls im Urlaub und für Stellungnahmen nicht zu erreichen. So bleiben einige Hintergründe der Toiletten-Erscheinung im Dunkeln.

Wenn am Wochenende der Sommer zurückkommt, gibt es jetzt eine saubere Alternative, das Hefeweizen wieder abzulassen. Ob’s auch angenommen wird? Und was ist mit dem vielen Müll? Es sind noch viele Fragen offen zum Akademiehof. Aber die SPD-Frau Margit Liepins kann es immer noch kaum glauben: „Beschlüsse des Gemeinderates werden umgesetzt.“

Auch wilder Müll ist ein Problem am Akademiehof

Offensive
– Bis zu 600 Besucher kommen an manchen Wochenenden zum Akademiehof, wie eine Befragung 2013 ergab, die sich in 50 bis 60 Gruppen aufteilen. Vor zwei Jahren nahmen die Probleme in der Nacht überhand: Sachbeschädigung, Drogenkonsum, Alkoholexzesse, Wildpinkeln, Lärmbelästigung, Müll und zerschlagene Glasflaschen prägten das Bild am nächsten Morgen. Flyer mit Sprüchen wie „Bist du noch ganz sauber?“ wurden von der Stadt offensiv verteilt.

Strategie –
Regelmäßig treffen sich Vertreter vom Fachbereich Sicherheit und Ordnung im Rathaus, der Polizei, Studenten und Platz-Anrainer wie Filmakademie und Theaterakademie sowie Vertreter der städtischen Jugendförderung und Platzbesucher. Mehr Mülleimer wurden aufgestellt. Die Idee, den Platz nach einem Partywochenende mit allem Müll nicht aufzuräumen und zur Anschauung abzusperren, wurde verworfen