Das 5 in der Bolzstraße ist das urbanste Spitzenrestaurant der Stadt. Das liegt nicht nur an der Lage, sondern auch an der Lounge, die Gäste anlockt, die sich sonst nicht in einen Sternetempel verirren würden. Mit Claudio Urru als viertem Chefkoch im vierten Jahr steigen die Ansprüche im Sternerestaurant – und die Preise.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Das 5 in der Bolzstraße ist das urbanste Spitzenrestaurant der Stadt. Das liegt nicht nur an der Lage, sondern auch an der Lounge, die Gäste anlockt, die sich sonst nicht in einen Sternetempel verirren würden. Nach Wasserschaden und Renovierungspause ist es dort unten jetzt weniger stylish, sondern zweckmäßiger eingerichtet. Im Restaurant oben sieht man kaum eine Veränderung – bis auf den Küchenchef, der die Gäste begrüßt und jeden seiner Gänge am Tisch vorstellt.

 

Seit Anfang Juni ist Claudio Urru zurück im Land. Viele schätzen ihn noch aus seiner Zeit im Top Air, das er 2012 nach 17 Jahren verließ. Der Purist und Produktfetischist arbeitet nun mit mehr Komponenten, was für das 5 noch einmal einen Preisanstieg bedeutet. Als Marc Müller vor drei Jahren den Stern holte, kosteten sechs Gänge 89 Euro, nun gibt es vier Gänge für 92 Euro und alle sieben für 128 Euro.

Mallorquinische Streichwurst verleiht Gericht derbe Note

Wir versuchen zu zweit so gut es geht zu variieren, obwohl es zum neuen Stil des Hauses gehört, sich überraschen lassen zu dürfen. Die Begleitung hatte Gänseleber ausgeschlossen, wenngleich sich Urrus „Creation“ – so heißt auch das ganze Menü – mehr um Entenleber dreht, die von Mandeln, Schokolade und Gänselebereis süß umspielt wird. Den Langostino bekommen wir beide. Er wird von geschmorten Endivienblättern und einem feinen Fenchelarrangement begleitet. Geschmolzene Sobrasada, mallorquinische Streichwurst also, verleiht dem Gericht eine derbe Note.

Auch der nächste Gang ist nicht nur fein. Denn zum Zweierlei der würzigen Süßkartoffel gehört ein mit Tamarinde angereicherter Sud, der recht säuerlich zwischen den Aromen von Speck, Kräutersaitlingen und Pistazie durchschlägt. Zum bretonischen Steinköhler wird zur kräftig gewürzten Belper Knolle und Mangold ein aus den Schalen von La-Ratte-Kartoffeln gewonnene Flüssigkeit aus der Teekanne auf den Teller gegossen. Da hält sich die Begleitung lieber an den sanft gegarten Rücken vom Neuseelandhirsch, schiebt den fetten Lardo beiseite und erfreut sich an Zutaten wie Steinpilzen und Rüben sowie Spuren von Limette und Brombeeren. Die Valrhona „Caramelia“ 2015 zum Abschluss eines langen Abends ist ein kunstvoller und mit Lackgold überzogener Aufbau, um den herum mit Safran getunte Birnen und vor allem von Petersilienwurzelpüree umrandete Kaffeepfützen deutliche Akzente setzen.

Beeindruckendes Kräftemessen in der Küche

Dazu haben wir eine schöne Weinreise (mit Autofahrerportionen 50 Euro), in die wir aber hineingrätschen müssen, weil bei den vier Positionen nur ein Rotwein eingeplant war (ein komplexer Syrah aus der Appellation Saint-Joseph). Gerade Urrus Aromenspiele vertragen charaktervolle Begleiter. Wir sind beeindruckt vom neuen Kräftemessen in der Küche, wünschen uns aber auch Kompositionen, die einen mehr umarmen als konfrontieren, und heben uns deswegen wie so oft einen halben StZ-Stern für restlose Begeisterung auf.

Die Bewertung

Küche ****+1/2*

Service ****

Ambiente ***

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.