Der Kult ums Fleisch hat den Stuttgarter Westen erreicht. Doch dem hohen Anspruch im Lokal Ampulle wurde unser Abend bei weitem nicht gerecht – weder beim Essen noch beim Service.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Wenn der schlechte Tag eines Restaurants auf den Besuch der Testesser fällt, mag das nicht repräsentativ für das Lokal sein. Da dies aber auch jedem Gast passieren könnte, müssen wir diese schlechte Momentaufnahme einmal festhalten – und schnell wieder vergessen.

 

Also: In der Ampulle hat man sich als „The Dry Gin & Beef Club“auf hochwertige Steaks spezialisiert wie etwa Hereford Irish Prime, Australian Black Angus (als Tomahawk-Steak für 98 Euro die 1100 Gramm . . .) und deutsches Rumpsteak. Zum Ritual gehört, dass der Fleischsommelier Salvatore Abastante, der zuvor im Pier 51 empfahl, die rohen Steaks am Tisch präsentiert. An unserem Abend testete er sie erst im gegrillten Zustand mit Messerdruck, weil nicht klar war, welches Rinderfilet (Lady Cut 180 Gramm für 29 Euro) medium rosa und welches medium well done war – und verwechselte es trotzdem. Da die guten Stücke durch zu scharfes Angrillen Bitterstoffe entwickelt hatten, wiesen wir darauf hin, dass dies weder geschmacklich noch gesundheitlich besonders gut sei – und hörten: „Haben Sie Angst vor Krebs?“

Caesar Salad mit muffigen Sojabohnensprossen

Weil es sich auch um einen Gin Club handelt, hatten wir uns für einen Dry Martini (10,50 Euro) als Aperitif entschieden. „Geschüttelt, nicht gerührt“, scherzten wir noch – und bekommen einen zuckersüßen Basil Smashed Martini, der auf der Karte für 9 Euro unter „After Dinner Cocktails“ steht. Das hätte dem Barchef Marius Breitenberger um 19.30 Uhr ebenso auffallen können wie die fleckigen Basilikumblätter. Als wir Abastante fragten, welches besondere Tonic er empfehlen könne, sagte er „gar keines“, weil er das Getränk nicht vertrage. Wenig prickelnd war auch der Cabernet Sauvignon Le Cheval (6,90 Euro für 0,2), der mundwarm serviert wurde.

Zurück zum Essen: das Beste war der Hot Beef Tea (8,90 Euro), selbst wenn in der mit Gin und Wacholderbeeren aromatisierten Consommé das Fleisch fehlte. Der Caesar Salad (10,50 Euro) mit gegrilltem Stauferico Bacon war in der Summe zu salzig, die Gewürzcroûtons kamen als große Scheibe daher, und was muffige Sojabohnensprossen in diesem Klassiker verloren haben, muss uns der fürs Küchenkonzept zuständige René Tepper auch noch erklären. Die Beilagen kosten extra und waren in Ordnung (Kartoffelgratin für 4 Euro, Ratatouille von roter Paprika 5 Euro). Der Wilhelmer’s Smoked Beef Burger (16,80 Euro) war gut gewürzt, die Süßkartoffel-Wedges dazu würden wir aber nicht empfehlen.

Das Ambiente: innen mit Charme, außen schwach

Im Gespräch nach unserem Besuch war Michael Wilhelmer genauso erschüttert wie wir. Schließlich ist er ein Profi – als Wasenwirt, mit dem Stäffele gegenüber, dem Schlachthof und jetzt auch dem Amici – und weiß, dass es besser sein muss und normalerweise wohl auch ist. Zum Ambiente können wir sagen: Die renovierte Ampulle mit ihrer alten Apothekenschrankbar hat innen durchaus Charme. Punktabzug aber gibt es für den Außenbereich, der dieser Preisklasse (wir zahlten 60 Euro pro Nase) nicht angemessen ist. Das weiß Wilhelmer – und er wird sich darum kümmern.

Ampulle, Augustenstraße 31 A, S-West, Telefon 66 41 92 17, www.ampulle.com, Mo bis Fr 11.30–14 Uhr und ab 17 Uhr, Sa ab 18 Uhr

Die Bewertung

Küche**

Service*

Ambiente**1/2

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.