Wo früher der Altar stand, ist eine Bühne aufgebaut: Die Herrenberger Lokalität Mauerwerk will beides sein: Kulturzentrum und Restaurant. Das ist gelungen, findet StZ-Gastrokritikerin Christine Keck.

Stuttgart - Wo früher der Altar stand, ist eine Bühne aufgebaut worden. Und der evangelisch-methodistische Pastor kommt nicht mehr zum Predigen, sondern höchstens zum Essen. Das Mauerwerk in Herrenberg, ein stolzer Backsteinbau aus dem Jahr 1897, war einst eine Kirche – bis die Gläubigen aus- und die Kreativen nach einer Generalsanierung einzogen. Gerade mal zehn Monate vergingen zwischen dem letzten Gottesdienst und der Eröffnung als Kulturzentrum mit schwäbisch-internationaler Gastronomie. „Das Theaterhaus in Stuttgart war unser Vorbild“, sagt Geschäftsführer Heinz Stoll, er sieht das Mauerwerk als kleine Schwester der Institution am Pragsattel. Sein Sohn Johannes hat dort Veranstaltungsmanagement gelernt, er ist die Idealbesetzung für das kulturelle Programm. Tochter Nina hilft im Service mit – das Mauerwerk ist eine Familienangelegenheit.

 

Fast zu schön, um gegessen zu werden

Nicht nur für die Band Worldfly und für Wolfgang Schorlau, die hier gelegentlich gastieren, lohnt es sich zu kommen, auch die Küche ist überzeugend. Der Ziegenkäsestrudel an Mango-Chutney mit Salatbouquet (8,70 Euro) macht süchtig. Ein fruchtig-cremiger Cross-over, pikante Mangostücke mit reichlich rotem Pfeffer zu kross gebackenem Strudel. Unter dem Bruschetta-Dreierlei (6,20 Euro) liegt das Baguette mit himmlischer Olivenpaste klar vorne, gefolgt vom Tomatenklassiker und der etwas langweiligen Auberginencreme. Gewundert hat uns, dass der Kellner den Porzellanteller für das Amuse-Gueule wieder abräumt. „Die Lachspâté sei leider ausgegangen“, sagt er mit einem Blick auf den voll besetzten Nachbartisch auf der Terrasse. Da sind wir um acht Uhr wohl zu spät gekommen.

Für die richtige Optik hat Küchenchef Karsten Philipp – zuvor im Brauhaus in Böblingen – ein Händchen. Das schwarz-weiße Reistürmchen zum gegrillten Lachsfilet mit Orangenvinaigrette (15,30 Euro) ist ein schmackhaftes Küchenbauwerk, errichtet aus Jasminreis und lilaschwarzem Venere-Reis aus dem Piemont, der durch sein nussiges Aroma besticht. Dazu ein Glas leichter Grauburgunder Kabinett vom Weingut Arndt Köbelin in Kaiserstuhl (0,2 l für 4,90 Euro), das passt zum Sommer. Viel zu fettig, weil frittiert, sind die Tofuscheiben im thailändischen Curry samt Wokgemüse und Reis (14,80 Euro). Die dickliche Soße ist nicht gerade der Hit, dafür sehen die frittierten Glasnudeln wie ein zerbrechliches Kunstwerk aus. Fast zu schön, um gegegessen zu werden. Wer sich an den Mangoschmarren mit hausgemachtem Vanilleeis (6,30 Euro) wagt, sollte mit ordentlichem Hunger gekommen sein. Die Portion ist üppig, der Genuss groß. Auch die Crème brûlée von der Tonkabohne (5,40 Euro) hat es in sich. Die Samen des tropischen Baumes haben einen Duft irgendwo zwischen Vanilleschoten, Bittermandel und Zimt, der noch lange vorhält.

Mauerwerk Hindenburgstraße 22, 71083 Herrenberg, Telefon 0 70 32/9 55 32 80, Geöffnet So–Do 11.30–24, Fr und Sa 11.30–1 Uhr

Die Bewertung:

Küche ***

Service ***

Ambiente ****

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.