Das Top air, Europas einziges Flughafenrestaurant mit Michelin-Stern, soll diesen auch mit dem neuen Küchenchef Marco Akuzu behalten. Der hebt sich von seinem Vorgänger ab.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Derweil sich Claudio Urru nach 17 Jahren im Top Air noch einmal neu erfindet, ist es an der Zeit, den Neuen, der seit Jahresbeginn im Terminal als Küchenchef und Geschäftsführer am Start ist, zu begutachten. Obwohl: so neu ist Marco Akuzun auch nicht, war er doch anderthalb Jahre Urrus Souschef. Aber die Vita des 31-Jährigen hat weitere interessante Stationen aufzuweisen: zum Beispiel anderthalb Jahre Küchenchef unter Rolf Straubinger auf der Burg Staufeneck, die im Ranking der besten Restaurants in der Region auf Platz zwei liegt.

 

Nun also geht es um den ersten eigenen Stern – und dafür legt sich Akuzun mächtig ins Zeug. Wobei sein Kochstil generell aufwendiger als Urrus ist, der sich mehr auf das einzelne Produkt mit wenigen Zugaben konzentriert. In Akuzuns aromastarker und kontrastreicher Küche hingegen tummeln sich bis zu zehn Komponenten auf dem Teller. Und doch gelingt es ihm, dass sich diese nicht zu sehr in die Quere kommen, wenngleich er sagt, er gehe gerne bis an die Grenzen – und manchmal darüber hinaus. Aber okay, in der Sterneküche gilt eben auch: lieber mal zu viel gewagt, als gleichförmig auf Nummer sicher zu gehen.

Zartes Fleisch mit besonderer Note

Die extremste Geschmackskombination für uns war der gedämpfte Seeteufel und Krakencarpaccio mit einer Finger-Lime-Vinaigrette, gegen deren Säure auch deftige Specktaler und kräftige Herbsttrompeten kaum ankamen. Ein ausgeglicheneres Spiel war das mediterrane Gemüse mit sehr viel Eigengeschmack und safranintensiver Polenta zum Kaninchenbauch. Richtig klassisch die Hauptspeisen, bei denen es Akuzun verstand, dem zarten Fleisch eine besondere Note mit auf dem Weg zu geben: mit einem Sauerteigmantel für das Kalbsfilet und einer Ziegenfrischkäse-Chorizo-Kruste für den Lammrücken.

Die Valrhona-Variationen aus der Patisserie waren eine erlebnisreiche Rundreise entlang der Süße- und Säuregrade, die „Blutorange“ ein schöner Gag, handelte es sich doch um einen tennisballgroßen Aufbau aus weißer Schokolade mit Nougatmousse und Vanille. Dies waren drei Gänge (76 und 81 Euro) aus den beiden Menüs „Ready for . . .“ und „. . .  take off“, vier Gänge gibt es ab 88 Euro und fünf für 98 Euro.

Beim Wein bestens umsorgt

Stammgäste des Top Air müssen sich vorerst nicht zu sehr umstellen – beim aus der Mode gekommenen Ambiente mit Teppichboden und schrägem Gestühl in Klavierlackoptik darf man immer noch ein Auge zudrücken. Und weiterhin wird man bestens umsorgt von Ralf Pinzenscham, der uns nicht nur ein „Weinarrangement“ (28 Euro) mit Tropfen aus dem Badischen, dem Burgund und Südafrika zusammenstellte, sondern auch schöne Aperitifs empfahl: den alkoholfreien VR (Verjus mit rotem Traubensaft von Amüs Gäu, 6,50 Euro) und einen amtlichen Gin Tonic mit Monkey 47 (12 Euro). Das ist wie die Küche ganz auf der Höhe der Zeit.

Top Air Flughafen, Telefon 07 11/9 48 21 37, www.restaurant-top-air.de, Di bis Fr 11.45 bis 14 Uhr und 17.45 bis 21 Uhr, Sa von 18 Uhr an. Mittagsmenü ab 48 Euro. Ferien bis 18. Februar.

Die Bewertung

Küche *****

Service *****

Ambiente ***

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.