Der Bahnkonflikt ist schwer zu lösen, weil die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft als Dritter nicht am Tisch sitzt. Die Knackpunkte des Tarifkonflikts im Detail.

Stuttgart - Die Bahn AG und die Lokführergewerkschaft GDL versuchen bisher vergeblich einen Streit zu lösen, der auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) tangiert. Die Knackpunkte im Detail.

 

Was will die GDL?

Die Lokführergewerkschaft fordert die Erhöhung des Entgelts um fünf Prozent und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei auf 37 Stunden. Hinzu kommen etliche weitere Wünsche wie eine Beschränkung der Überstunden, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und „mehr Wertschätzung durch Gewinnbeteiligung“. Entscheidend ist jedoch, dass die GDL auch für die Zugbegleiter, Lokrangierführer, Bordgastronomen, Ausbilder und Instruktoren Tarifverträge abschließen will. Die Bahn verweigere ihr ein „grundgesetzlich verbrieftes Recht“, moniert sie. Gemeint ist die in der Verfassung verankerte Koalitionsfreiheit. Diese erlaubt es Arbeitnehmern und Arbeitgebern, „sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen“.

Was macht die Bahn?

Die Arbeitgeberseite gewährt eine Lohnerhöhung von zwei Prozent – bis die Bundesregierung ihr geplantes Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg gebracht hat. Zudem fordert sie die GDL auf, ein Kooperationsabkommen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu unterzeichnen. Es soll klären, welche Gewerkschaft für welche Gruppen unter den 170 000 Beschäftigten federführend verhandeln darf. Ende Juni war ein Grundlagentarifvertrag ausgelaufen, nach dem die GDL für die rund 20 000 Lokführer bei der Bahn zuständig war und die EVG für die anderen Berufsgruppen des Konzerns (inklusive der Zugbegleiter).

Worin liegt die Brisanz?

GDL-Chef Claus Weselsky wirbt für eine Tarifpluralität, wonach zwei verschiedene Tarifverträge von GDL und EVG nebeneinander gelten. Somit sucht er, in der Hoffnung auf Mitgliederzuwachs, den permanenten Wettbewerb. Die Bahn lehnt dies ab. „Wenn für ein und dieselbe Tätigkeit unterschiedlich bezahlt würde, würde dies den Betriebsfrieden erheblich stören“, sagt Personalvorstand Ulrich Weber. Dann gäbe es abweichende Regelungen zu Arbeitszeiten, Pausen und Überstunden – was die Erstellung von Einsatz- und Schichtplänen erschwere. Laut Weselsky hat Weber aber am 8. Oktober in einem Vier-Augen-Gespräch mit ihm nach Lösungsansätzen zur Integration der Zugbegleiter in GDL-Tarifverträge gesucht.

Wie stark sind die Gewerkschaften?

Die Deutsche Bahn stellt selbst fest, dass 51 Prozent der 37 000 Beschäftigten in den Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der GDL organisiert sind – gut 80 Prozent der Lokomotivführer und 30 Prozent der Zugbegleiter. Inklusive der Infrastrukturbetriebe hat jedoch die EVG über die Bahn AG hinweg die Mehrheit der Mitglieder.

Warnstreiks betreffen meist Millionen Fahrgäste

Arbeitsniederlegungen von Mitgliedern der Lokführer-Gewerkschaft GDL können leicht Millionen Fahrgäste betreffen. Beispiele für Streiks und Warnstreiks in den vergangenen Jahren:

Oktober 2007:
Binnen weniger Wochen kommt es mehrmals zu Ausständen. Allein am 25./26. Oktober fallen rund 18 000 Regional- und S-Bahnen aus, etwa 2,7 Millionen Pendler sind betroffen.

November 2007:
Derselbe Tarifkonflikt führt zum bis dahin schwersten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn (DB). Die GDL stoppt bundesweit den Güterverkehr: 62 Stunden lang vom 14. bis 17. November. Der Personenverkehr wird für 48 Stunden bestreikt. Der monatelange Tarifstreit wird erst im Frühjahr 2008 beigelegt.

Februar 2011:
Bei einem zweistündigen Warnstreik fallen am 22. Februar Züge und S-Bahnen aus oder kommen verspätet an. Laut DB sind Millionen Kunden betroffen. Am 9./10. März werden große Teile des bundesweiten Verkehrs lahmgelegt. Im April einigen sich GDL und Deutsche Bahn.

September 2014:
Ein bundesweiter Warnstreik bei der DB trifft am 1. September Pendler und Fernreisende. Der Güterverkehr ist ebenfalls betroffen. Am 6. September kommt es zu einem weiteren, dreistündigen Warnstreik.

Oktober 2014:
Nach einer Urabstimmung legen am 7. und 8. Oktober GDL-Mitglieder bundesweit für neun Stunden die Arbeit bei der DB nieder. Hunderte Fern- und Güterzüge sowie über 2500 Nahverkehrszüge und zahlreiche S-Bahnen vor allem in Ballungsgebieten stehen wegen des Streiks still.