Lothar Maier ist erst seit zwei Jahren als Stuttgarter Stadtrat für die AfD im politischen Geschäft, da gehört er schon zur Spitze der Landespartei. Auch die Fraktion im Rathaus könnte Führung gebrauchen, analysiert Jörg Nauke.

Stuttgart - Für einen Politiknovizen, der versprach, sich erst einmal „voll auf Stuttgart“ zu konzentrieren, hat sich AfD-Neustadtrat Lothar Maier zuletzt vergleichsweise häufig für andere Parteiposten interessiert. Erst stand der 71-Jährige beim Bundesparteitag als Beisitzer zur Debatte, verlor aber knapp. Dann kandierte er erfolgreich beim ersten Landesparteitag nach dem Austritt des Vorsitzenden Bernd Kölmel für einen der drei Sprecherposten. Maier wurde neben Jörg Meuthen und Bernd Grimmer gleichberechtigter Sprecher und ist für Konzepte zuständig.

 

Wie weit nach rechts treibt es die Reste-AfD und welche Rolle spielt im Land der ehemalige Verbraucherschützer, der weit gereiste, auch sozial engagierte Maier, der im Gemeinderat nicht nur Glanzauftritte hinlegt, aber die kritischen Themen doch häufiger differenzierter zu betrachten scheint als seine drei Stuttgarter Kollegen? Für den wegen seiner Unterstützung der „Erfurter Resolution“, in der gefordert wurde, die politische Spannbreite der AfD nicht ohne Not zu begrenzen, kritisierten Grimmer legt Maier ebenso „die Hand ins Feuer“ wie für Meuthen. Die Sprecher seien gute Freunde.

Nach dem Parteitag wird Maier anders gesehen

Er teilt freilich die Skepsis derer, die die Wahl diverser Stellvertreter wie etwa Christine Baum aus dem Main-Tauber-Kreis kritisierten. Auch sie ist „Erfurterin“ und warnt gerne mal vor einem „schleichenden Genozid der deutschen Bevölkerung“.

Auch der ehemalige Genosse Maier wird nach seinem Rundumschlag beim Parteitag als politischer Rechtsaußen geführt. Er sagte: „Mehr als alles andere wünschen die Bürger sich, dass ihnen endlich keine Lügen und Beschwichtigungen mehr vorgesetzt werden über die außer Kontrolle geratene Masseneinwanderung, über die Griechenland-Geschenkpakete, über den zum Sprengsatz für Europa gewordenen Euro, über eine Bildungspolitik, die zur Spielwiese linksextremer Ideologen geworden ist, über die um sich greifende, zum Teil auch importierte Kriminalität und über eine Außenpolitik, die in Sanktionen gegen Russland und in Kriegseinsätzen für amerikanische Interessen gipfelt.“

Maier schreie zwar nicht „Lügenpack“, Lüge sei für ihn aber alles, was nicht in sein Weltbild passe, hieß es in einem Kommentar.

Masseneinwanderung in Stuttgart?

Es überrasche, dass er 3000 Flüchtlingen in der Stadt als „Masseneinwanderung“ sehe; besser wäre es, die AfD würde nicht den Bau von Unterkünften ablehnen, heißt es im Gemeinderat. Maiers Idee läuft auf eine Ungleichbehandlung von Bewerbern aus Kriegsgebieten und dem Balkan schon in der Prüfungsphase hinaus.

Während sich die Stadt müht, alle Flüchtlinge während ihres Aufenthalts gleich (gut) zu behandeln, plädiert Maier bei Bewerbern aus dem Kosovo oder Mali für Sach- statt Geldleistungen, weil dies einer der Anreize sei, nach Deutschland zu kommen.

Beim Kreuzzug von AfD-Vertretern wie Stadtrat Heinrich Fiechtner gegen den Bildungsplan, in dem die sexuelle Vielfalt stärker als bisher berücksichtigt werden soll, hält sich Maier zumindest außerhalb von Parteiversammlungen zurück. Er begründet das mit abweichender Privatmeinung. Das gilt auch für das Thema Gemeinschaftsschule. Kein Wunder: Maier war Waldorfschüler.

Der Sprecher wähnt seine Partei schon fast im Landtag, als konservativ-liberalen Widerpart zur CDU. Im Widerspruch steht freilich die Nibelungentreue zu Fiechtner. Der dauerlächelnde Arzt sollte aus der Partei fliegen, auch weil er OB Kuhn als „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ bezeichnete. Jetzt behauptet Maier, das sei in erster Linie eine Privatfehde zwischen Ex-Chef Kölmel und Fiechtner gewesen. Meuthen, auch AfD-Bundesvize, erklärte das Verfahren sogar für beendet. Fiechtner sei ja „so ein lieber Mensch“, der sich künftig „deutlich gemäßigter im Ton“ äußern werde.

Tatsächlich wird der Stadtrat immer stärker als Provokateur wahrgenommen. Das treibt die Fraktion in die Isolation. Eine Folge: am Donnerstag plante die AfD samt 50 Sympathisanten eine Ausfahrt per Partybus in den Tauschwald, wo sich der OB in Form zweier Windräder „ein Denkmal“ setzen wolle. Als das im Rathaus publik wurde, untersagte man der Truppe ruckzuck die Durchfahrt durch die Idylle, so dass der letzte Kilometer gewandert werden musste.