Lothar Matthäus wechselt die Rolle: Der ehemalige Fußballstar ist nun der Hauptdarsteller einer Reality-Doku. Ein Gespräch über fiese Journalisten, die Macht der öffentlichen Meinung und den Versuch einer Imagekorrektur.

Stuttgart - Vier Monate lang stand Lothar Matthäus für den TV-Sender Vox in einer „Personality-Doku“ über sein eigenes Leben vor der Kamera: „Lothar – immer am Ball“. Der Frauenliebling, mal ganz anders? Ein Gespräch über fiese Journalisten, die Macht der öffentlichen Meinung und den Versuch einer Imagekorrektur.

 

Herzlichen Glückwunsch, Herr Matthäus. Oder soll man Ihnen aufrichtiges Beileid wünschen?
Der Geburtstag ist vorbei. Einen Todesfall gibt es auch nicht in der Familie. Also: weder Beileid noch Glückwunsch.

Sie haben jetzt den Sprung vom Weltfußballer zum Darsteller der eigenen Dokusoap . . .
. . . das ist keine Dokusoap, das ist eine Reality-Doku. Es ist nichts gefaked.

Umso mehr drängt sich die Frage auf: Sind Sie stolz darauf – oder ist es Ihnen peinlich?
Das wird das Ergebnis zeigen. Es ist wie beim Fußball: Man kann sich gut vorbereiten und alles richtig machen – und man kann trotzdem verlieren. Ich bewege mich auf dünnem Eis, das war mir von Anfang an klar. Ich habe mit meinem Management lange darüber diskutiert, ob ich das machen soll.

Weshalb hatten Sie Bedenken?
Man weiß ja, wie die Öffentlichkeit in Deutschland auf solche Geschichten reagiert, wie sie Stars behandelt. Ich habe mich dann aber dazu durchgerungen. Es kann eine Gelegenheit sein, das schiefe Bild von mir wieder geradezurücken.

Der Vox-Chefredakteur Kai Sturm hat sich schon vor der Ausstrahlung von der Dokusoap distanziert. Es heißt, Sie kämen nicht authentisch herüber.
Erstens hat der Vox-Chef diese Aussage wieder revidiert. Er hat sich dafür sogar in aller Form entschuldigt. Okay, man kann natürlich mal ein Eigentor schießen, man sollte das Spiel dann aber nicht gleich aufgeben. Abgerechnet wird am Schluss. Der Zuschauer entscheidet.

Die erste Folge zeigt Sie als fürsorglichen, aber leicht verschrobenen Macho, der seine Freundin zwingt, bei minus siebzehn Grad Celsius ohne Strumpfhose zur Berlinale-Party zu gehen. Tritt man Ihnen zu nahe, wenn man sagt: Genauso nimmt Sie die Öffentlichkeit wahr?
Wenn Sie vier Monate vor der Kamera stehen, können Sie nicht die ganze Zeit lächeln. Das wäre gelogen. Aber in Deutschland gibt es kein Mittelding, nur oben oder unten, Regen oder Sonnenschein.

Also wurde die Szene nicht gestellt?
Ich kann mich nicht an jede einzelne Szene erinnern. Aber wenn sie sich so zugetragen hat, dann muss man wissen, aus welchem Grund. Meine Freundin Joanna hat nie eine Strumpfhose an unter einem Minirock oder unter einem Kleid.

Aber vor der Kamera besteht sie darauf.
Kann ich mir nicht vorstellen. Gehen Sie mal nach London. Da hat auch im Winter kein Mädchen Strumpfhosen unterm Rock an. Das ist eben Mode. Und Joanna ist ein modischer Mensch.

Wie steht es mit Ihrem Ordnungsfimmel? Ist das auch keine Erfindung der Regie?
Ist ein Ordnungsfimmel was Negatives?

So, wie es in der Dokusoap dargestellt wird: ja. Da regen Sie sich über eine Fußmatte auf, die schief sitzt. Sie sortieren die Joghurts im Kühlschrank nach dem Haltbarkeitsdatum.
Also, ich gehe davon aus, dass viele Leute Ordnung im Kühlschrank halten. Warum darf ich das nicht?

Dürfen Sie schon. Die Produzenten der Doku haben diese Steilvorlage gerne aufgegriffen, um Sie durch den Kakao zu ziehen.
Sie suchen jetzt die Nadel im Heuhaufen. Es ist immer dasselbe mit Euch Journalisten in Deutschland.

Warum?
Sie provozieren.

Das gehört zum Handwerk. Ist es wahr, dass Sie in Budapest wohnen, weil Sie die Presse in Deutschland auf Schritt und Tritt verfolgt?
In Budapest lebt es sich sehr angenehm. Die Leute lassen dich in Ruhe. Ich bin viel auf Reisen. Deswegen ist es schön, wenn man so eine Insel hat, wo man man selbst sein darf.

Ich habe einen befreundeten Boulevardreporter in Budapest angerufen. Der hat gesagt: Lothar Matthäus lebt hier schon seit Jahren nicht mehr.
Als ich noch als ungarischer Nationaltrainer gearbeitet habe, war ich beinahe täglich in den Medien präsent, weil ich meinen Job gemacht habe. Jetzt bin ich dort nur noch privat, und das wird respektiert.

Sie selbst haben Ihr Privatleben in der Boulevardpresse ausgebreitet. Wundert Sie es jetzt, dass Sie die Geister nicht mehr los werden, die Sie riefen?
Ich bin daran sicher mitschuldig, weil ich bestimmte Geschichten geliefert habe. Das rechtfertigt aber nicht, dass ich stundenlang im Straßenverkehr von Paparazzi verfolgt wurde. Da sind die Grenzen zum Teil übertreten worden.

Mal ein Beispiel.
Ich möchte mich nicht zur Vergangenheit äußern, ich schaue lieber in die Zukunft. Deshalb habe ich mich ja auch für diese Doku entschieden.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie die Presse auch für Ihre Zwecke nutzen können?
Ich benutze nie jemanden, um mir eigene Vorteile zu verschaffen. Ich weiß, wer ich bin und was ich kann.

Ohne die Berichterstattung über Ihr Privatleben würden Sie von der Öffentlichkeit gar nicht mehr wahrgenommen. Eine schmerzhafte Vorstellung?
Nein, gar nicht. Wenn es diese Geschichten über mein Privatleben nicht gegeben hätte, hätte ich heute wahrscheinlich einen Job als Trainer in der Bundesliga.

War es nicht eher so, dass Sie selber die Öffentlichkeit gesucht haben, um zu zeigen: Mich gibt es noch?
Solche Geschichten haben mir nur geschadet. Ich habe zu spät gemerkt, dass ich oft aufs falsche Pferd gesetzt habe.

Ist aktuell ein Trainerjob in Sicht, oder geht die Reise weiter in Richtung Filmbranche?
Das Hauptaugenmerk ist auf den Fußball gerichtet. Ich bin während der EM mit diversen journalistischen Angeboten ausgelastet. Gestern hat mich das ukrainische Fernsehen angerufen, morgen kommentiere ich für den arabischen Sender Al-Dschasira. Es kommen auch immer wieder Angebote für Trainerstellen. Aber die müssen auch zu mir passen.

Noch keine Einladung für das Perfekte Promi-Dinner bekommen?
Wissen Sie, man versucht natürlich immer, seine Quote nach oben zu bringen. Aber beim „Perfekten Promi-Dinner“ würde ich nicht mitmachen.

Warum nicht?
Das passt nicht zu mir.

Warum haben Sie sich ausgerechnet auf eine Dokusoap eingelassen?
Wir haben eine gewisse Kontrolle darüber, was gezeigt werden darf.

Wie ist es dann möglich, dass Ihre Doku genau das Image bestätigt, von dem Sie sich befreien wollten?
Das sagen Sie. Ich glaube, dass ich ganz anders herüberkomme, als ich bislang wahrgenommen wurde.

Was erfährt man denn in der Dokusoap über Lothar Matthäus, was man vorher noch nicht wusste?
Sie können sich die nächsten sechs Folgen angucken. Vielleicht werden Sie etwas entdecken.

Das Problem ist ja: Die Welt glaubt längst zu wissen, wer Lothar ist. . .
. . . ja, weil Journalisten falsch recherchiert haben. Jetzt kann sich jeder selbst ein Bild von mir machen.

Der Lothar aus der Dokusoap ist also identisch mit dem echten Lothar?
Ich glaube, ich habe das bereits erwähnt.