Die tollen Tage nahen. Drei Frauen haben deshalb in einem Nähkurs ihre eigenen Kostüme zur venezianischen Messe entworfen. Ihre Lehrerin Sabine Deutscher hat damit Erfahrung. Sie ist Kostümkennerin und Stadtführerin in einer Person.

Ludwigsburg - Die Nähmaschinen rattern fröhlich vor sich hin, schwere, außergewöhnliche Stoffe werden durch den Raum geschleift, unzählige Nadeln, Muster, farbenfrohe Kleidungsfragmente und -accessoires bedecken die Tische. Barocke Kostüme schneidern, fantasievolle Masken und Hüte kreieren – das ist Sabine Deutschers Leidenschaft. Als Vorbereitung zur Venezianischen Messe im Herbst veranstaltet sie einen dreitägigen Nähkurs der besonderen Art.

 

Das eigene Kleid nach Rokoko-Vorbild selbst zu nähen, das kann wahrlich nicht jeder. Die Heilpraktikerin, Naturwaren-Ladenbesitzerin und Stadtführerin bringt es Interessierten bei und schöpft dabei aus ihrer mehr als 20-jährigen Erfahrung. „Ich nähe diese Art von Kostümen schon seit 1993, als die erste Venezianische Messe auf dem Ludwigsburger Marktplatz stattfand. Und den Kurs biete ich auch schon seit etwa zehn Jahren an“, erzählt Deutscher. Heute sitzt sie mit drei Kursteilnehmerinnen in ihrer Werkstatt in der Lindenstraße, steckt ab, hilft beim Anpassen und verrät, worauf es beim Fantasiekostüm, der etwas einfacheren Variante des Barockkostüms, ankommt. Vom Reifrock über den typischen Pannesamt bis hin zu den bunten, kunstvoll verzierten Masken – die 55-Jährige kennt sich einfach aus.

Die Räume erinnern an ein Märchen aus alter Zeit

Eine wahre Schatzkammer findet der Besucher auf dem Dachboden ihres um 1760 gebauten Hauses. Hier verstecken sich wohl geordnet Dutzende prachtvolle Barockkostüme, die Deutscher zur Messe verleiht. Auch allerlei protziger Klunker, pompös geschmückte Hüte, Pompadour-Täschchen und unzählige venezianische Masken aus eigener liebevoller Handarbeit verzieren die Räume, die allein schon an ein Märchen aus alter Zeit erinnern. Der knarrende Boden, die dicken, massiven Deckenbalken – alles passt hier wie die Faust aufs Auge zum altertümlichen Thema. Und auch die Detailverliebtheit der Barock-Spezialistin wird an diesem Ort auf den ersten Blick deutlich. Die Vielfalt der verwendeten Stoffe und ihre Herkunft reicht von hiesigen Märkten, über Frankreich bis nach Tunesien, Indien und Afrika. „Ich habe früher sehr gerne in der ehemaligen Tschechoslowakei ausgefallene Brokatstoffe gekauft. Mittlerweile hat die Qualität dort leider nachgelassen, also suche ich immer wieder neue Quellen“, sagt Deutscher. So habe sie mit den Teilnehmerinnen des diesjährigen Nähkurses etwa den holländischen Stoffmarkt in Ludwigsburg besucht und den drei Frauen unter anderem bei der Wahl der Materialien für die geplanten Fantasiekostüme geholfen.

Doch wie kommt man auf die Idee, einen solchen Nähkurs zu besuchen? Und was ist das Besondere daran? „Ich wollte schon immer mal an einem Nähkurs teilnehmen. Und da ich mich für das Thema Barock interessiere, hat hier eben alles gepasst“, verrät Andrea Neumann-John. Ihre Nähnachbarin Andrea Mönig habe sich vor 15 Jahren eine Maske in Venedig gekauft und diese dann vor zwei Jahren, als sie den Kurs von Sabine Deutscher entdeckte, erstmals stolz getragen – eine glückliche Fügung. „Das gemeinsame Erlebnis, das gemeinsame Nähen, die Gespräche, einander Tipps geben können – das macht unsere drei Tage hier zu etwas Speziellem“, betont die in Ludwigsburg geborene und aufgewachsene Kursleiterin.

Die Kosten für ein Barockkleid sind dreistellig

Und obwohl allein schon die Materialkosten für die eigene Robe mit den dazugehörigen Accessoires zur vollständigen Verkleidung im dreistelligen Bereich liegen, wollen sich die Frauen zur nächsten Venezianischen Messe unbedingt ein neues Kostüm nähen. „Es macht einen Riesenspaß und es gibt auch so viele schöne Stoffe. Da muss ich einfach in zwei Jahren etwas Neues ausprobieren“, sagt Ludwigsburg-Neuling Lioba Buchert enthusiastisch. Die Kursteilnahme hat sie als Geburtstagsgeschenk bekommen und will nun im Herbst mit ihrem Fantasiekleid beim berühmten Umzug durch die Innenstadt zum Auftakt der Messe mitmachen.

Informationen zur venezianischen Messe

Festival
Als ein rauschendes Festival voller Farbenpracht und Lebensfreude kündigt die Stadt Ludwigsburg die Venezianische Messe an, die den Marktplatz von Freitag, 12., bis Sonntag, 14. September beherrschen wird. Die Besucher sollen hier „südländische Lebenslust und schwäbische Gemütlichkeit, mediterranes Flair und barockes Ambiente, Vergangenheit und Gegenwart“ erleben.

Historie
Vor fast 250 Jahren erlag Herzog Carl Eugen in der italienischen Lagunenstadt dem Charme des Venezianischen Karnevals und führte das Maskenfest in seine Residenzstadt ein. 1993 wurde es wiederbelebt und findet nun alle zwei Jahre statt.

Programm
Eine Künstlerprozession markiert den Auftakt der Venezianischen Messe. Am Freitag, 12. September, zieht sich die Parade von 18 Uhr an vom Bahnhof durch die Ludwigsburger Innenstadt. Auf dem Marktplatz, der während der Veranstaltungstage in der Sprachregelung zur Piazza wird, ist umfangreiches Programm geboten. Bereits am Samstag, 30. August, stimmen die Künstler Dieter Zimmermann und Sven Bauer um 22 Uhr mit ihren Projektionen an die evangelische Stadtkirche auf die Messe ein.