Gleich zweimal kommt der Finanzrat von Herzog Alexander auf Ludwigsburger Bühnen: Das Bürgertheater erzählt im September von Jud Süß, die Theaterakademie schon am 24. Juli.

Ludwigsburg - Das Ludwigsburger Bürgertheater 2015 wird szenisch. Aufgeführt wird das Stück „Akte Oppenheimer“ – allerdings nicht als Vorgeschichte zum Holocaust. Und es wird auch nicht, wie ursprünglich geplant, in der Unteren Stadt gespielt, sondern im Hof der Karlskaserne. Nach Produktionen wie den „Nibelungen“ wollte der Künstlerische Leiter Rainer Kittel wieder weg vom Spielen à la Staatstheater. Darum hat er sieben verschiedene Ensembles verpflichtet. Bereits am 24. Juli lädt die Akademie für Darstellende Kunst (ADK) zu einer „Jud-Süß-Nacht“ ein.

 

Kabarett zu Juden-Klischees

„Das Thema liegt offenbar in der Luft“, sagt Kittel. Er selbst habe sich erste Anregungen aus Lion Feuchtwangers Roman „Jud Süß“ geholt. Für weitere Inspirationen sorgten TV-Bilder: etwa vom Putin-Gegner Michail Chodorkowski, der während der Gerichtsverhandlungen in einem Käfig sitzen musste, von dem der Vergewaltigung bezichtigten Politiker Dominique Strauss-Kahn oder von dem wegen Steuerhinterziehung verurteilten Fußball-Funktionär Uli Hoeneß. „In all diesen Fällen ging es um Aufstieg und tiefen Fall“, sagt Kittel.

Was er und sein Team – die Federführung liegt bei der Tanz- und Theaterwerkstatt (TTW) – überhaupt nicht wollten: antisemitische Klischees bedienen oder umgekehrt alles auf die Vernichtung der Juden im 20. Jahrhundert hinauslaufen zu lassen. Darum wurde Alexej Boris verpflichtet. Der Schauspieler mit jüdischen Wurzeln soll durchaus auch kabarettistisch die Stereotypen vom Geldverleiher Shylock bis zum Ewigen Juden vorstellen.

Vier weitere Schauspieler – Petra Weimer, Thomas Weber‚ Uwe-Peter Spinner und Reinhold Weiser – werden Originaltexte von Oppenheimer, dessen Geliebter, einigen Juristen und dem Henker rezitieren. Außerdem werden sich sechs Ensembles ihren eigenen Reim auf die Kriminalgeschichte samt abschließendem Schauprozess machen: das Tanztheater der Kunstschule Labyrinth, die Schülertheatergruppe des Friedrich- Schiller-Gymnasiums, die Jugendmusikschule, das TTW-Figuren-theater, die Barock-Kostümgruppe Bellissima und die Musikkapelle des Musikvereins Eglosheim. Was die Instrumentalisten und Schauspieler entwickelt haben, wird erstmals Mitte August zusammengeführt. „Die sind alle frei in ihren Entscheidungen“, sagt Kittel. „Mir bleiben dann noch zwei Probentage, um am Ende den Roten Faden deutlicher herauszuarbeiten.“

Bis die Sonne aufgeht

Schauspieler und Zuschauer werden während der Vorstellung unterwegs sein. Anfangs war vorgesehen, dass Szene für Szene an den historisch verbürgten Orten aufgeführt wird: vom Innenhof des Grafenbaus über den Kaffeeberg zum Marstallcenter. „Aber wir haben keine verbindliche Spielerlaubnis bekommen“, sagt Kittel. Darum wird die barocke Welt im Kasernenhof nachgestellt, alles unter freiem Himmel. Fällt eine Vorstellung wegen Regens aus, werden Ersatztermine angeboten.

Drinnen (Bühnenturm) und draußen (Campus) werden die ADK-Studenten ihre Version der Geschichte vom Finanzrat des Herzogs Alexander erzählen, mit einer langen Nacht des Joseph Süß Oppenheimer: von Sonnenuntergang am 24. Juli (21.13 Uhr) bis zum Sonnenaufgang (5.13 Uhr).