Einige Kandidaten der Republikaner für den Gemeinderat wollen von der Kandidatenliste gestrichen werden. Sie sagen, Stadtrat Harald Lettrari habe ihnen die Unterschriften dafür regelrecht abgeluchst.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Ludwigsburg - Inge Schäfer kann die Tränen nicht zurückhalten. „Ich bin am Boden zerstört“, schluchzt die 78-Jährige. „Als Getränkespezialisten in der vierten Generation verstehen wir uns als Dienstleister“, heißt es auf der Internetseite ihres Getränkeabholmarktes in Neckarweihingen, zu dem eine Probierstube, eine Brennerei und eine Mosterei gehören. Und jetzt das: „Ich traue mich nicht mehr in unseren Abholmarkt, ich schäme mich so“, klagt die Geschäftsfrau. Der Grund ist, dass ihr Name und der ihres Mannes auf den Wahllisten der Republikaner stehen. Demnach kandidiert das Ehepaar sowohl für den Ludwigsburger Gemeinderat als auch für den Kreistag. Und das Schlimmste daran für Inge Schäfer ist: es stand bereits in der Zeitung. Sie ist sicher, „das wird dem Geschäft schaden“.

 

Mühsame Bewerbersuche

Dabei hätten weder sie noch ihr Mann Alfred je auf eine Wahlliste gewollt, schon gar nicht auf diese. „Die Reps, das ist doch nichts für uns! Man hat uns hinters Licht geführt.“ Ein Stammkunde, der öfter mal Sachen zum Unterschreiben mitbrachte, „gegen irgendwelche Straßenprojekte und so“, hätte ihnen die Unterlagen zur Kandidatur untergeschoben. Gutgläubig habe man die Papiere unterzeichnet.

Der Stammkunde ist der Republikaner Harald Lettrari. Der Stadtrat verwahrt sich gegen den Vorwurf, den Schäfers eine Unterschrift abgeluchst zu haben: Er „habe für beide Listen geworben und Inge Schäfer vier Formulare mitgegeben am Tisch in der Getränkehalle. Sie ging zu meinen Freund Alfred rein und sagte noch, sie müsse dies erst mal durchlesen, ehe sie was unterschreibe.“ Nach 20 Minuten sei sie mit den unterzeichneten Zustimmungen zurückgekommen. „Später stellte ich fest, da fehlt noch der Beruf. Alfred war zu dem Zeitpunkt in der Probierstube, wo auch ein Spielautomat steht. Da bin ich rein, und er hat mir noch seinen Beruf Küfermeister gesagt“, berichtet Lettrari.

Der Stadtrat versteht die Aufregung nicht recht. Er sei „sehr stolz gewesen, sie auf meiner Liste zu haben, und nun der Ärger“. Die Schäfers rangierten doch auf sicheren hinteren Plätzen und liefen gar nicht Gefahr, tatsächlich gewählt zu werden. Er habe die Eheleute nicht getäuscht, er pflege einen vertrauten Umgang mit den beiden. „Seit mehr als 15 Jahren bin ich Stammkunde im Getränkemarkt Schäfer. Dort durfte ich auch die Zeitungen der Republikaner auslegen und verteilen.“

Lettrari räumt allerdings ein, dass er große Mühe gehabt habe, seine Kandidatenliste zu komplettieren. Zwar gebe es genug Republikaner im Kreis Ludwigsburg, aber die wenigsten wohnten direkt in der Barockstadt, was aber Voraussetzung ist für eine Gemeinderatskandidatur. Zudem habe er vier Leute von der Liste streichen müssen – einer habe sich zeitgleich bei den Grauen Panthern aufstellen lassen, zwei hätten ihre Erstwohnsitze nicht in der Stadt, und einer habe gar keinen Wohnsitz gehabt.

Kandidatur ist rechtskräftig

Der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried sagt, er sei erstaunt gewesen, dass Lettrari überhaupt 40 Kandidaten für den Stadtrat zusammenbekommen habe. Er berichtet, dass ihn die Schäfers bereits kontaktiert hätten, mit der Bitte, sie von der Wahlliste zu streichen. Auch ein weiterer Kandidat wollte zurücktreten. Doch daraus wird wohl nichts: Triftige Gründe lägen nicht vor, und die Kandidatenlisten seien inzwischen vom Gemeindewahlausschuss für rechtskräftig erklärt worden, sagt Seigfried. „Man kann das nicht einfach zurücknehmen.“ Ihn wundere, „wie leichtfertig Leute die entsprechenden Erklärungen unterschrieben haben“, und er empfindet offenbar kein Mitleid: „Die müssen schon wissen, was sie tun.“

Etwas stiller ist es an Lettraris parteiinterner Front geworden. Seine polternden Auseinandersetzung mit Rolf Schlierer, dem Bundesvorsitzenden der Republikaner, sind verstummt. Der Höhepunkt war eine E-Mail von Lettrari an Schlierer gewesen, die Letzterer offenbar an die Polizei durchreichte. Darin mutmaßt der Stadtrat, dass der Parteikollege aus Stuttgart mit Leuten Umgang pflege, die Kontakte zum NSU unterhielten. „Schlichter Nonsens“, heißt es bei der Polizei. „Der hat den Schlierer einfach bloß angeschwärzt.“ Lettrari gibt das auf Nachfrage sogar ohne Umschweife zu. An seinem Lack scheint das nicht zu kratzen. Im Gegenteil: man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich wohlfühlt in der Rolle des Enfant terrible, das Zeitgenossen auf die Palme jagt.