Auf der Hartenecker Höhe entsteht ein neues Wohnviertel. Ein Teil der Zugezogenen möchte dessen Planung mitgestalten und engagiert sich in einem Bewohnernetzwerk, das Roswitha Matschiner koordiniert. Wie das geht, erklärt der nächste Teil unser Langzeitbetrachtung.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)
Ludwigsburg - Auf die Frage, wie 2 000 Menschen, die sich nicht kennen, zusammenwachsen können, hat Roswitha Matschiner eine Antwort: durch ein Bewohnernetzwerk. Das koordiniert sie, weil sie gemerkt hat, dass man mit einem solchen Zusammenschluss etwas bewirken kann – als Kummerkasten der Menschen und Gesprächspartnerin für die Stadtverwaltung.
Frau Matschiner, es wäre so einfach gewesen: Sie hätten in ihre neue Wohnung einziehen und sich in die eigenen vier Wände zurückziehen können. Warum koordinieren Sie das Bewohnernetzwerk und gehen stattdessen diesen unbequemen Weg?
Couchpotatoe ist nicht mein Ding. Da würde ich mich nicht wohlfühlen. Ich stelle gern mit anderen zusammen etwas auf die Beine. Deswegen haben wir unser Haus – wir leben im Baumhaus – auch in einer Baugruppe gemeinsam gebaut.
Sie haben damit schon, bevor Sie überhaupt vom Schlösslesfeld hierher gezogen sind, viele Mühen auf sich genommen.
Ja. Genau. Das ist ein anderes Zusammenleben, mit dem ich mich viel wohler fühle. In einer Eigentumswohnung zu wohnen, wo man rechts und links niemand kennt, das wollte ich nicht.
Trägt Sie der Gemeinschaftssinn durch die Mühen der Ebene?
Ich habe festgestellt, dass man damit etwas erreichen kann.
Was sind Sie denn: Kummerkasten, Beschwerdestelle, Mitteilungsorgan der Stadt oder gelebte Bürgerbeteiligung?
Wahrscheinlich von allem ein bisschen was. Wenn bei mir Beschwerden eingehen, gebe ich sie weiter. Ich sehe mich selbst als Durchlaufposten, damit die Menschen merken, dass man etwas tun und damit etwas bewegen kann. Dass man nicht immer nur schimpft auf die Stadt. Die Mitarbeiter arbeiten nämlich sehr engagiert. Viele Bewohner haben immer noch eine Hemmschwelle, sich direkt an die Stadt zu wenden, was sie natürlich genauso gut hätten tun können. Aber ich glaube, man wendet sich einfach lieber an jemanden aus der Nachbarschaft. Ich profitiere dabei einfach von meinen Erfahrungen. Ich war 15 Jahre Gemeinderätin. Ich weiß, wie die Abläufe in der Stadtverwaltung sind. Und die tun sich umgekehrt leichter, weil sie mich kennen.
Im Moment treibt die Beleuchtung der autofreien Cäsar-von-Hofacker-Anlage am Eingangsbereich die Anwohner um.
Diese ganze Anlage ist meines Erachtens ein gutes Beispiel für Bürgerbeteiligung. Wir sind ziemlich frühzeitig eingebunden worden in Workshops. Dann ist alles doch nicht so geworden, wie das die Mehrheit wollte. Natürlich haben wir die Ellipsenform der Baumeinfassung befürwortet. Bei einer Begehung hat man festgestellt: wir wollen mehr Grün. Da ließ sich aber nichts mehr ändern. Aber zwei der ursprünglich grauen Ellipsen wurden begrünt. Und so ist das nun wieder mit den Leuchten. Obwohl wir ein Beleuchtungskonzept beschlossen haben, haben die Anwohner festgestellt, dass die nicht den Platz ausleuchten, sondern man fast nur noch Leuchten sieht, die manchen zudem noch in seiner Wohnung blenden. Bei mir kamen darüber Beschwerden an. Jetzt machen wir eine Umfrage. Denn oft melden sich ja die Zufriedenen gar nicht. Die Stadt hat schon signalisiert, dass nachjustiert werden soll.
Das hört sich ja vorbildlich an. Ist es wirklich ein Miteinander mit der Stadt?
Ich empfinde das so. Ich habe, als ich im Bauausschuss saß, beim Wachsen des Wohngebiets Rotbäumlesweg voller Bewunderung erlebt, wie sich die Bewohner organisiert haben – und habe gedacht: das will ich auch so haben.
Nimmt das Engagement der Bewohner zur Landschaftskante und den Einfamilienhäuser hin eher ab?
Ja, ich glaube schon. Es ist ja auch okay, wenn man hier einfach nur wohnen will. Vielleicht haben ja Menschen, die in einer Baugruppe gebaut haben, einen anderen Anspruch an Wohnen und Leben. Die Baugruppen, die jetzt gerade bauen, sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und müssen erst einmal ankommen.
Was ist der Charme der Hartenecker Höhe?
Charakteristisch ist schon die Durchsetzung mit Baugruppen. Die Stadt hat damit hier Neuland betreten. Die Stadt betont immer wieder die Energiesparkomponente des Viertels. Das sehe ich nicht so. Dafür ist es mir zu unambitioniert. Da hätte man schon im Bebauungsplan stärker umsetzen müssen. Aber so weit sind die Gremien noch nicht. Wir wollten eigentlich ein autofreies Wohngebiet haben. Auf der Elfriede-Breitenbach-Straße haben schon nächtliche Autorennen stattgefunden, weil sie so lang und breit ist.
Ist das die bittere Erkenntnis, dass man trotz allem nicht auf einer Insel lebt, auch wenn man versucht, sie zu gestalten.
Es wird einem erst bewusst, was man vermisst, wenn man in einem Wohngebiet ohne Autos ist. Die Cäsar-von-Hofacker-Anlage ist ein Teil davon. Darauf passen wir auch ganz arg auf.
Wie soll das Leben hier in 30 Jahren aussehen?
Die Leute sollen dann zusammengewachsen sein und sich gegenseitig helfen. Nicht nur bei uns im Haus, wo man sich hilft, wenn die Tagesmutter ausgefallen ist. Dass so etwas funktioniert, sollte überall selbstverständlich sein. Das kann man in jedem Mehrparteienhaus tun. Das geht Tür an Tür in Mietwohnungen. Das liegt immer an den Menschen. Das ist schon meine Vision, dass man mehr nacheinander guckt und sich kümmert.
Und woher nehmen Sie den langen Atem, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen?
Ich weiß ja noch nicht, ob ich das alles 30 Jahre durchhalten kann.
Sehnen Sie sich etwa schon nach einer neuen Baugruppe?
Nein. Wenn mir die Energie für das Engagement ausgeht, würde ich ja auch noch gerne hier wohnen. Ich mache so etwas nur solange, wie es mir Spaß macht und es niemand anders macht.
Aber noch haben Sie Spaß daran, Frau Matschiner?
Ja.