In der Ausstellung „Überregional“ im Ludwigsburger Landratsamt präsentieren sich Künstler aus dem ganzen Land – mal poetisch, mal gesellschaftskritisch.

Ludwigsburg - Ferien, ein Nordseestrand, Urlauber waten durchs Watt. Die Szene auf Valentin Vitanovs großformatigem Gemälde ist wie ein Foto komponiert, bezieht ihre Spannung aber nicht aus der Anordnung von Gruppen und Einzelpersonen. Was das Bild so besonders macht, ist eine rote Linie am Horizont. Sie wirkt, als sei sie mit dem Lineal gezogen, und das Rot hat nichts von Abendrot. Und doch ist es diese rote Linie, die den Blick des Betrachters bannt, indem sie der Szene eine eigene Tiefe gibt. Vitanovs Bild ist Teil der neuen Ausstellung „Überregional“ im Atrium des Ludwigsburger Landratsamts.

 

Schuberts Sündenlitanei

30 Künstler vom Verband der Bildenden Künstler Württemberg (VBKW) präsentieren hier 82 Werke. Nur zehn davon stammen aus der Region, so wollten es die strengen Statuten. Denn die Schau im Kreishaus ist Teil einer Trilogie: Der Verband hat drei Ausstellungen mit Werken von insgesamt 42 Künstlern bestückt, die Station am Bodensee, im Donaukreis und eben im Großraum Stuttgart machen. Die Werkauswahl für Ludwigsburg wurde von Margit Lehmann, der Vorsitzenden des Verbands Region Ludwigsburg, und ihrer Stellvertreterin Sibylle Möndel besorgt. Und das Spektrum der Materialien ist sehr vielfältig: einfaches Papier, Kunststofffolie, Holz, Bronze, Gips, Keramik, Textilien, Leinwand und Holz. Nichts wurde ausgelassen, jeder durfte seine Vorlieben pflegen.

Mit „salzglasiertem Steinzeug“ hat Martin Schubert wohl den ausgefallensten Werkstoff gewählt. Er hat ihn für seine Deutung der „Sieben Todsünden“ modelliert, bemalt und, wie es das Thema erforderte, in Serie gehen lassen: Sieben mannshohe Stelen gieren nach Aufmerksamkeit – oder ducken sich verschämt vom Betrachter weg. Schuberts Sündenlitanei geht nicht konform mit der biblischen – und ist auch nicht immer von tödlichem Ernst. Bei ihm tragen die Todsünden Namen wie „Unterwürfiger“, „Geld Küssender“, „Gleichgültiger“, aber auch “Hassprediger“ oder „Von sich Eingenommener“. „In Zeiten der Geiz-ist-geil-Mentalität ist der alte Kanon der Sünden neu zu schreiben“, sagt der am Bodensee lebende Künstler. Plötzlich sei Tugend, was früher Sünde war.

Der Stuttgarter Ubbo Enninga hat einen Lehrauftrag für Zeichnen an der Universität in Stuttgart, beschäftigt sich aber auch als Geistheiler und Astrologe. Entsprechend spirituell klingen die Namen seiner Werke: „Die Norne Urd“ oder „Mondknoten“. Dabei geht es aber sehr physisch zu. Während die verschiedenen Nornen mit ihrer silbrigen Haut einen kalten Hauch verströmen, denkt man beim „Mondknoten“ an Folter, Blut und Schmerz: Ein menschlicher Körper wird durch eine Unmenge Nägel und überdimensionierte Schraubzwingen derart gekrümmt, dass einen schon der Anblick martert.

Freie Luft für Cherubine

Eine völlig andere, sehr viel freiere Luft atmen dagegen die Objekte von Ebba Kaynak. Die Bildhauerin aus Schorndorf stellt sich mit Plastiken vor, die ihren Materialcharakter – Kirschholz – mit ausstellen: einem Cherubin, einem Wächter, einem Paulus. Es handelt sich um Formen und Gestalten, die auf halbem Weg zur gegenständlichen Figur Halt gemacht – und sich so etwas Geheimnisvolles und Beunruhigendes bewahrt haben.