Die Figuren im Ludwigsburger Märchengarten wirken vor allem durch ihre typischen Gewänder. Hannah Deuß fertigt die Kleider – ganz einfach ist das jedoch nicht.

Ludwigsburg - Was wäre Sindbad ohne seine weiten Pluderhosen aus feinem Stoff? Was wäre die Hexe aus „Hänsel und Gretel“ ohne kariertes Kopftuch und der Riese von Ludwigsburg ohne seine prächtige Uniform? Auch im Ludwigsburger Märchengarten gilt: Kleider machen Leute. Doch es ist mitnichten das tapfere Schneiderlein, das die Gewänder näht – dafür ist Hannah Deuß zuständig. Sieben Kleider auf einen Streich schafft sie jedoch nicht, denn ihre Aufgabe ist durchaus eine Herausforderung.

 

Hannah Deuß ist in den letzten Zügen: Nur noch das Gewand von Ali Babas Dienerin Mardschana muss sie noch nähen, dann sind alle Kleider für die neue Saison im Märchengarten fertig. Allerdings hat es das rosa Seidenkleid in sich: Wegen der Mechanik, die die Puppe bewegt, muss das Gewand an bestimmten Stellen offen bleiben, an anderen braucht es Klettverschlüsse oder ganz besondere Maße. Ein Schnittmuster hat Hannah Deuß nicht. Als Vorlage dient ihr das bisherige Kleid, das allerdings ziemlich zerfleddert ist – letztlich ist das der Grund, weshalb es nun ausgetauscht werden soll.

Die Gewänder haben ganz besondere Maße

Mit dem Gewand von Mardschana hat sich Deuß das kniffligste Stück bis zum Schluss aufgehoben. Doch auch die anderen Kleider sind nicht ohne: „Die Figuren im Märchengarten haben ganz andere Proportionen als Menschen“, erklärt die 37-Jährige. Zudem müssten wegen der Mechanik in den beweglichen Puppen ganz andere Dinge beachtet werden als bei ihren sonstigen Kunden. So bestehen zum Beispiel einige Kleidungsstücke aus zwei Hälften, die nur durch einen Klettverschluss verbunden werden – anders könnten sie den Figuren gar nicht angezogen werden.

Trotz dieser Herausforderungen ist Hannah Deuß begeistert von ihrem Job fürs Blüba, den sie vor etwa einem Jahr angetreten hat. Der Auftrag sei sehr speziell, sagt sie. So habe sie im vergangenen Jahr die Kostüme für die neue Szene von Max und Moritz nähen dürfen, dafür standen die Figuren eine Weile bei ihr im Atelier. „Das war manchmal fast schon unheimlich“, sagt Deuß und lacht – gleichzeitig sei es natürlich etwas ganz Besonderes gewesen, die Darsteller aus dem Märchengarten bei sich zu haben.

Deuß ist gelernte Maßschneiderin und Modedesignerin

Für die Saison in diesem Jahr muss keine neue Szene bestückt werden. Doch es gab einige Gewänder, die ausgetauscht werden mussten: „Die Kleider leiden natürlich unter der Witterung“, erklärt Deuß. Mit der Zeit bleichen sie aus oder zerschleißen wegen der immer gleichen Bewegungen der Puppen. Auch Löcher von Motten und Mäusen gebe es hin und wieder, erzählt die Schneiderin. Inzwischen hängt unter anderem eine neue Uniform für den Riesen von Ludwigsburg im Atelier, ebenso eine Bluse für die schöne Müllerstochter, eine neue Jacke für Rumpelstilzchen, eine frisch genähte Schlafmütze für den Rotkäppchen-Wolf und der Morgenmantel von Lehrer Lämpel, dem Dorfschullehrer von Max und Moritz.

Für das Blüba näht Deuß jedoch nur am Anfang des Jahres. Sind die Märchenfiguren eingekleidet, widmet sie sich wieder voll ihrem üblichen Geschäft: Die 37-Jährige ist gelernte Maßschneiderin und Modedesignerin und hat sich auf historische Kostüme spezialisiert. Demnächst müssen die Kleider für einen Landsknecht und eine Edeldame gefertigt werden, ebenso ein Biedermeierkleid. „Mein Steckenpferd sind historische Sachen mit ganz viel Handarbeit und ganz viel Schnickschnack“, sagt Deuß. Den notwendigen Hintergrund dazu hat sie: Die Schneiderin hat zunächst Archäologie und Geschichte studiert und sich dabei schon auf das Thema Textilien konzentriert.