Mit einem Kalender will das Stadtarchiv die Neugierde zukünftiger Forscher wecken. Simon Karzel, der neue Archivleiter, will mit der kleinen Schau seiner Archivgüter zeigen, welche Erkenntnisse sich durch einen Gang ins Magazin gewinnen lassen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Wie lernt man seinen neuen Arbeitsplatz als Archivar am schnellsten kennen? Richtig: indem man ins Magazin abtaucht und schaut, was der unterirdische Fundus so alles zu bieten hat. Genau das hat Simon Karzel getan. Seit September leitet er das Ludwigsburger Stadtarchiv. Und nach der ersten Kennenlernrunde mit den Kollegen im Archiv und in der Stadtverwaltung hat er sich die Zeit genommen und geschaut, über welche Archivalien er nun eigentlich wacht. „In gewisser Weise habe ich mir so das Archiv erschlossen“, sagt er lachend.

 

Doch das Unterfangen darf man nicht als Selbstzweck verstehen. Entstanden ist bei dieser Exkursion ins Archiv ein Kalender zur Ludwigsburger Stadtgeschichte. Karzel will ihn als Einladung verstanden wissen. Er soll Lust machen, das Archiv für eigene Forschungen zu nutzen. „Ich will mit dem Klischee aufräumen, im Archiv habe niemand außer dem Archivar etwas zu suchen.“ Karzel möchte, dass das Archiv Anlaufstelle für alle Fragen zur Stadtgeschichte ist. Und er möchte mit dem Material, das er zu Tage gefördert hat, neugierig machen. Dieses Ziel hat er auch bei der Auswahl der Motive für die zwölf Kalenderblätter verfolgt. Jedes von ihnen erschließt einen Bereich der Stadtgeschichte – von der Wirtschaft bis zum Alltag.

Vom König bis zur einfachen Ludwigsburgerin

Zum Zuge kommt König Wilhelm II. mit seinem Landgut Marienwahl neben ganz bürgerlichen Menschen wie etwa Lina Ellinger, die eine geborene Schempp war. Dass man über diese Frau, die 1902/1903 eine Tanzschule besuchte, überhaupt etwas weiß, liegt daran, dass im Stadtarchiv seit dem Jahr 1876 die Personenstandsunterlagen aller Ludwigsburger gesammelt wurden. Sie geben Auskunft über Geburten, Heiraten und Todesfälle. Wer sich in diese Auflistungen vertieft, findet beispielsweise Lina Schempps Tanzstundekarten aus der Tanzschule im Bahnhotel. Denn im Archiv liegt auch der Familiennachlass Schempp/Ellinger und haucht den Personendaten Leben ein. So erfährt man etwa, dass es damals offenbar üblich war, auf einer vorgedruckten Liste neben den Tänzen wie Walzer oder Polka einzutragen, mit wem man getanzt hat. Für Karzel, der diese Tanzkarten mit dem Kalenderblatt für den Mai dokumentiert, ist dies ein Beleg, dass man sich im Stadtarchiv erfolgreich auf die Spuren der Vorfahren begeben kann. „Damit möchten wir die Familienforscher ansprechen“, sagt er.