Für die Holocaustüberlebende Eva Fahidi gibt es kein Ende der Geschichte. An der Akademie der Darstellenden Kunst erzählt sie aus ihrem Leben, während nebenan der Bauausschuss erbittert über die Umbenennung von Straßen berät, deren Namensgeber eine nationalsozialistische Vergangenheit haben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Es war eine gänzlich unbeabsichtigtes Gleichzeitigkeit zweier Gesprächsrunden. Während der Bauausschuss im Rathaus über die Umbenennung von Straßennamen diskutierte, erzählte keine 200 Meter entfernt in der Akademie der Darstellenden Kunst (ADK) die 90-jährige Eva Fahidi aus ihrem Leben. Und manche der Diskutanten im Rathaus hätten angesichts der Erlebnisse der ungarischen Holocaust-Überlebendenden wohl beschämt geschwiegen.

 

Eva Fahidi ist eine der Nebenklägerinnen im Lüneburger Auschwitz-Prozess gegen den SS-Mann Oskar Gröning. Am 26. Januar hat Fahidi im Bundestag zur 70. Wiederkehr der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau gesprochen. Im Ludwigsburg ist ihre Erzählung der Kern von Sven Hartleps Bachelorinszenierung „Die Zeit, die übrig bleibt oder wie man auf die Idee kommt, mit Eva Fahidi Apfelmus zu kochen“.

Eva Fahidi kann dem SS-Gröning nicht verzeihen

Mit leiser Stimme und die Worte sehr bewusst wählend erzählt die zarte Frau ihre Geschichte. Sie fängt an als behütete Tochter einer großbürgerlichen Familie und endet mit dem Tod von 49 Familienangehörigen. Im Mai 1944 beginnt der ungarische Holocaust. Die kleine Schwester wird ermordet, ebenso Evas Mutter. Und was sie ihrem Vater vor seinem Verschwinden in der Gaskammer als letztes Wort oder letzten Satz nachgerufen hat, bleibt bis heute unerinnert. „Ich weiß es nicht“, sagt Eva Fahidi auf Nachfrage einer Zuhörerin leise. Diese Wissenslücke schmerzt merklich. Für Eva Fahidi gibt es kein Ende der Geschichte. Anders als die Auschwitzüberlebende Eva Mozes Kor kann sie Oskar Gröning nicht verzeihen. Aber sie kann auch nicht mehr hassen. „Der Hass verwüstet die Seele“, sagt sie. Stattdessen erzählt sie lieber – bis zum letzten Atemzug.