Beim Nachhaltigkeitstag diskutieren Experten über die Chancen, in der Barockstadt das Stadtklima zu verbessern. Denn inzwischen leben 90000 Menschen auf 43 Quadratkilometern.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Warum nicht in großen Dimensionen denken, wenn es um die Zukunft geht? Die sieht klimatisch für die Städte in der Region Stuttgart nämlich nicht gerade rosig aus. Schreitet der Klimawandel wie bisher voran, wird sich die Zahl der Tage mit Hitzebelastung bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Dann heizen sich die Asphaltflächen und Fassaden auf und strahlen ihre Wärme in den Nächten ab. Pflanzen wirken dem entgegen – und viele Pflanzen helfen entsprechend viel. Warum also nicht darüber nachdenken, so fragte ein Bewohner des Marstallcenters am Ende der gestrigen Podiumsdiskussion zur klimatischen Zukunft Ludwigsburgs tollkühn, die Fassade des Marstalcenter im Zuge seiner Revitalisierung begrünen?

 

Wie lässt sich das Klima in der Stadt verbessern?

Die Frage kam nicht von ungefähr. Auf Ludwigsburger Boden steht seit April ein sogenanntes Grünes Zimmer, das im Zusammenhang mit einem EU-Forschungsprojekt den Beweis erbringen soll, dass vertikale Grünflächen das Mikroklima in den Städten verbessern. Vor dieser Kulisse unterhielten sich am Freitag Vertreter der Stadt, Architekten, Landschaftsgärtner und Stadtplaner, was Kommunen wie Ludwigsburg tun können, um die Klimabelastungen für die Menschen zu verringern. „Grüne Wände sind Reparaturmaßnahmen“, sagte der Landschaftsarchitekt Johann Senner. Grün müsse man planen und und beim Bauen berücksichtigen. Dabei gilt es daran zu denken, wie viel Substrat oder Erde ein Baum brauche, um in der Stadt zu überleben. Dieses ganzheitliche Denken versucht der Planer des Grünen Zimmers, der Architekt Ferdinand Ludwig, auch seinen Studenten beizubringen. „Wir wollen ein Grundverständnis für eine andere Sichtweise“, erklärt er seinen Ansatz.

Baubürgermeister Ilk: das Grüne Zimmer ist ein Appell

Der ist in Ludwigsburg bitter notwendig, denn die Barockstadt ist eine waldarme Kommune, der Landkreis ist gar eine der waldärmsten überhaupt. Dennoch, so sagte Ludwigsburgs Baubürgermeister Michael Ilk, halte der Zuzug an. Auf 43 Quadratkilometern wohnen jetzt mehr als 90  000 Menschen. „Straßen sind miteinander verbunden. Warum nicht auch die Grünzonen in Ringen oder grüne Achsen verbinden“, fragte Ilk in die Runde. Er verstehe das Grüne Zimmer als Appell, mehr qualitätsvolles Grün in die Städte zu bringen.

Die Stadtplanerin Nicole Baumüller denkt in die gleiche Richtung, wenn sie mahnt: „Sie müssen Orte schaffen, die bei guter Erreichbarkeit viel Schattenfläche bieten.“ Ein Loblied sangen sie und Johann Senner auf die Wirkung der Alleen. Nicole Preußner vom Ludwigsburger Grünflächenamt verwies dabei auf den Grünflächenplan der Stadt, der laut Ilk im Herbst im Gemeinderat diskutiert werde. Silvia Weidenbacher, die beim Verband Region Stuttgart für die Landschaftsplanung zuständig ist, weitete den Blick und forderte, bei den Planungen nicht am Stadtrand halt zu machen. Im Umfeld der Städte brauche es dringend Freiflächen, die als natürliche Klimaanlagen dienen. Technisch wäre eine Grüne Wand am Marstallcenter übrigens möglich, sagte Ferdinand Ludwig.