Vier Schleusen und weitere Widrigkeiten müssen sie überwinden, bis sie ans Ziel kommen. Martin Tschepe, Volker Heyn und Reiner Koch wollen am Sonntag von Hoheneck nach Kirchheim schwimmen. Es ist ihr Beitrag zum Neckar-Aktionstag.

Ludwigsburg - Radler folgen allenthalben dem Flusslauf, auch Langstreckenläufer absolvieren ihre Ausdaueretappen am Neckarufer und joggen mit schrottbeladenen Lastschiffen um die Wette. Und jetzt wollen sich drei Schwimmer in das träge, grünbraune Wasser stürzen, um vom Ludwigsburger Freibad aus durch acht mehr oder weniger enge Neckarschleifen nach Kirchheim zu kraulen. 30 Kilometer lang.

 

Volker Heyn, 42, Reiner Koch, 46, und Martin Tschepe, 48, allesamt seit Urzeiten im Schwimmverein Ludwigsburg 08 beheimatet, haben die Idee zu dem Neckar-Marathon ausgeheckt. „Wir müssen was machen“, beschlossen sie, der mittlerweile dritte Aktionstag „Unser Neckar“ nahte. Möglichst den ganzen Tag lang. In ihrem Fluss. Wo die ersten Vereinsmitglieder bis in die 30er Jahre trainierten. Trotz Hochwasser, trotz Schmutz, trotz Kälte.

Esslingen stellt sich quer

Der 08-Vorstand gab sein Okay („wenn ich nichts machen muss“), das Esslinger Gesundheitsamt aber stellte sich quer: Lebensgefährlich sei die Route von Plochingen flussabwärts, wegen der Häfen und der Fäkalkeime im Wasser. Also wurde umdisponiert. Das Vereinsheim am Otto-Konz-Weg sollte nicht mehr das Ziel, sondern der Ausgangspunkt sein. Und tatsächlich: „Die Teilnehmer sollten sich nach dem Schwimmen gründlich abduschen“, teilte Anfang August das Ludwigsburger Gesundheitsamt mit. Danach gab auch das Schifffahrtsamt grünes Licht, es „spricht nichts gegen das Vorhaben“. Ein Begleitboot sei indes nötig. Vor allem der Schleusen wegen.

Seither reift der Plan, der am Sonntag im Morgengrauen umgesetzt wird. Kurz vor 7 Uhr schlüpft Martin Tschepe als erfahrenster Freiwasserschwimmer in den Neoprenanzug und krault los. Gen Marbach. Seine Kompagnons steigen derweil ins beheizte Boot von Wilko Krautter, der zur Crew einer Segelschule in Poppenweiler gehört und „so ’nen Quatsch immer mitmacht“, wie er sagt. Gewechselt wird etwa jede Stunde. Fünf Kilometer soll in der Zeit jeder Schwimmer der Staffel zurücklegen. Vor 16 Uhr will das Trio gemeinsam in Kirchheim aus den Fluten steigen.

Wasser-Trip birgt Unwägbarkeiten

Hochgerechnet. Denn einige Unwägbarkeiten birgt der Wasser-Trip. Die Strömung: dafür wünscht sich Volker Heyn noch etwas Regen in den nächsten Tagen, denn dann fließt der Neckar etwas schneller als im Augenblick, wo er nur bräsig vor sich hindümpelt. Die Temperatur: die liegt aktuell bei 14 Grad, sinkt aber, wenn der gewünschte Regen fiele. Sie befindet sich eh schon „in Regionen, wo jedes halbe Grad zählt“, sagt Reiner Koch, der in seinem Leben zwar schon Tausende Kilometer im Becken geschwommen ist, in den Neckar aber vergangenen Dienstag testhalber zum ersten Mal gehüpft ist. „Der Geschmack war schon eigenartig“, lautet sein erster Eindruck. Dazu kommt, dass er nicht genau weiß, wie es sich anfühlt, zehn Kilometer an einem Tag zu schwimmen. Das stand noch nie auf seinem Trainingsplan.

Dazu der Dreck: der letztlich wohl wenigstens achtstündige nasse Aufenthalt zwischen Blättern, Plastiktüten und Buschwerk mag noch partnerschaftskompatibel sein, aber das Bad in einem Wasser, das als Vorfluter für Kläranlagen dient, hat Reiner Koch zumindest die Ermahnung eingebracht, er dürfe sich nur dann wieder seiner Frau nähern, wenn er sich einer porentiefen Grundreinigung unterzogen habe. Martin Tschepe hat in der Richtung offenbar etwas mehr Narrenfreiheit: „Meine Frau sagt schon gar nichts mehr, sie weiß, dass ich ein bissle verrückt bin.“

Schleusen sind der Unsicherheitsfaktor im Zeitplan

Und die Schleusen: sie sind der größte Unsicherheitsfaktor im Zeitplan. Die Schwimmer müssen vier Staustufen überwinden – Marbach, Pleidelsheim, Hessigheim und Besigheim. Im Beiboot. Schwimmen ist dort tatsächlich lebensgefährlich, und daher verboten. Martin Tschepe rechnet pro Schleusengang mit 15 bis 45 Minuten – je nachdem, wie die Schleusenwärter auf Zack sind. Informiert über die nicht gerade alltäglichen Flussreisenden sei man dort. Wenn’s den Distanzkraulern gleichwohl zu lang dauert, nehmen sie ihre Beine und ein Kanu in die Hand und umlaufen die Schleuse. Das ist zwar nicht im Sinne der Idee, aber immer noch eine Neckaraktion.