Sein Vertrag ist nach vielen Querelen verlängert worden. Im Interview zum Abschluss der Spielzeit bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen zieht dessen Intendant Thomas Wördehoff seine persönliche Bilanz und verrät, wie sehr es ihn schmerzt, dass er kein Instrument spielen kann.

Ludwigsburg – - Mit dem Auftritt von Jane Birkin hat sich Thomas Wördehoff (60) einen persönlichen Wunsch erfüllt. Nach der Verlängerung seines Vertrages und dem Ende der Spielzeit wird er nun in Wien entspannen. Ein Gespräch über Musiktipps von Elvis Costello und das Abtauchen in amerikanische TV-Serien.
Herr Wördehoff, am Samstag saß ein gut gelaunter Intendant im Klassik-Open-Air.
Allerdings. Ich war schon sehr stolz auf das Konzept. Dass es uns gelungen ist, eine Weltreise mit Walzern zu machen. Das Wetter war ja unglaublich. Das Orchester hat quasi getanzt, der Dirigent war super.
Und die persönlichen Rahmenbedingungen waren bestens.
Ja.
Was bewegt Sie kurz vor Ende dieser Saison?
Eigentlich bin ich ungeheuer dankbar, dass die künstlerischen Pläne so befriedigend aufgegangen sind wie in diesem Jahr. Man hat ja immer eine Idee von der Spielzeit, und dann bespricht man die mit den Künstlern und die erfüllen die dann mit ihrer Inspiration. Außerdem habe ich das beste Team der Welt, weil es nicht die Spur von irgendwelchen Grantigkeiten gibt. Die Leute sind motiviert bis zur Erschöpfung.
Hat die Situation zusammengeschweißt?
Ja, das muss man schon sagen. Und was ganz toll ist, ist, wie sich das Orchester verhalten hat. Für die Musiker war es eine neue Situation, dass sie mit sieben verschiedenen Dirigenten gearbeitet haben.
Ist nach dem Festival für Sie schon wieder vor dem Festival?
Ja. Uwe Schmitz-Gielsdorf (stellvertretender Intendant, Anmerk. d. Red.) und ich führen ununterbrochen Gespräche für 2014 und wie es aussieht, werden wir ja auch 2015 da sein. Wir müssen sehen, dass wir da den Anschluss kriegen.
Das heißt, Sie haben Zeit verloren?
Ja, natürlich. Jetzt müssen wir loslegen und mit den Künstlern reden.
Sie sitzen in jeder Vorstellung, um für Künstler und Publikum ansprechbar zu sein?
Ja. Mir war vollkommen klar, dass das Publikum von Anfang an etwas verstört oder skeptisch reagieren könnte. Ich wollte verhindern, dass unser Vorderhauspersonal angerempelt wird. Ich bin von kessen Bemerkungen auch nicht verschont geblieben, aber ich werde dafür bezahlt. Gerade in einer Periode des Übergangs war es wichtig, dass die Leute für ihre Kritik einen Ansprechpartner haben. Natürlich auch für ihr Lob.
Wie entdecken Sie die Künstler fürs nächste Programm?
Ich rede sehr gerne mit Leuten. Ich bekomme auch Tipps von Zuschauern oder Kollegen. Ich höre Radio, lese Zeitung, höre CDs. Da gibt es kein Rezept. Das, was einen zu den richtigen Leuten führt, ist die Neugier.
Sie sind als Journalist Quereinsteiger.
Ja. Ich habe aber vorher als Regieassistent an der Hamburger Staatsoper, dann an der Frankfurter Oper und in Berlin und Salzburg gearbeitet. Irgendwann wusste ich, dass ich kein Regisseur werde. Ich hatte einfach so großartige Lehrmeister, dass ich mir das nicht zugetraut habe. Dann kam ein Angebot der Weltwoche in Zürich, wo ich mich austoben durfte. Da habe ich vieles kennengelernt – auch viele Leute, mit denen ich heute arbeite. Die Sopranistin Christine Schäfer kenne ich aus dieser Zeit. Ich habe sie interviewt.
Gibt es im Konzertbetrieb neben Bilanzen dann doch eine menschliche Komponente? Zählt das Netzwerk und wie man mit Künstlern umgeht?
Der menschliche Kontakt ist keine Frage der Gagenhöhe. Ich arbeite gerne mit Künstlern, die sich auf ein Näheverhältnis zu den Festspielen einlassen. Dann erlangt das Festival eine Ausstrahlung, die nicht mit Marketingmaßnahmen zu erzielen ist.
Ist man manchmal versucht, sich seine eigenen Wünsche im Programm zu erfüllen?
Na ja sicher.
Wessen Idee war Jane Birkin?
Schmitz-Gielsdorfs und meine. Das war uns ein Anliegen. Was Jane Birkin hier gemacht hat, war natürlich auch ein sehr persönlich gefärbter Abend. Wir haben uns vorab in Paris getroffen. Sie war dann schon einen Tag vor dem Konzert hier, wir waren essen. Dann haben wir sie zum Konzert von Duncan Ward eingeladen. Die beiden haben künstlerisch einen Draht zueinander gefunden. Da beginnt für mich die erotische Ausstrahlung eines Festivals. So entsteht ein geistiger Zusammenhang, den ich unerlässlich finde. Damit meine ich nichts philosophisch Verschwurbeltes, sondern dass man eine Idee von Austausch spürt. Das merken auch die Zuschauer.
Wie hat Cecilia Bartoli den Tag in Ludwigsburg verbracht?
Sie liebt die italienische Küche und hat hier ein Lokal, in das sie ganz vernarrt ist, das Pavarotti. Und dann wollte sie das Schloss sehen, durch das wir sie geführt haben.
Was hört Thomas Wördehoff privat?
Ich habe aus der Popmusik ein paar musikalische Hausgötter, die ich schon 40 Jahre mit mir herumtrage. Das ist Elton John und natürlich Bob Dylan. Aber es gibt auch viele jüngere, die ich verehre. Die Band The National etwa. Ich bin aber auch ein großer Jazzfan.
Da wird es dann schnell wieder beruflich.
Ja. Da höre ich Bill Frisell oder Michael Wollny. Oder die jungen schwarzen Funktypen wie Robert Glaster, ein wunderbarer Pianist. Ich hatte großen Spaß an Daft Punk. Jetzt höre ich wegen des nächsten Programmes Musik von Benjamin Britten. Lustigerweise hat mir Elton John bei einem Interview den Tipp gegeben, mich mal mit dem Komponisten Edward Elgar zu beschäftigen. Bartók und Schostakowitsch wurden mir von Elvis Costello nahegebracht. Costello würde ich auch gerne hierher holen. Oder noch mal Bill Frisell.
Spielen Sie eigentlich selbst ein Instrument?
Nein. Das werfe ich mir vor. Da bin ich nicht im Reinen mit mir.
Was hat Sie dann zur Musik gebracht?
Immer Neigung. Ich war in einem evangelischen Internat im Taunus, weil meine Mutter alleinerziehend war. Mit zehn Jahren wollte ich eigentlich Klavierunterricht nehmen. Der Heimleiter hat es mir jedoch verboten.
Wo entspannen Sie?
Ich fahre jetzt erst mal für einen Monat nach Wien. Das ist für mich eine schöne Zuflucht. Ich fühle mich in dieser Stadt total aufgehoben. Und das, obwohl ich außer zu meiner Ex-Freundin komischerweise familiär überhaupt keine Verbindung dorthin habe. Da gehe ich mit Freunden zur alten Donau und zum Heurigen und laufe durch die Stadt oder gucke die vorletzte Staffel der US-Serie „Breaking Bad“. Das ist das Größte, was ich in letzter Zeit gesehen habe. Hätte Dostojewski heute in Amerika gelebt, würde der „Breaking Bad“ schreiben.
Wohnen Sie bewusst in Markgröningen?
Ja. Das hat damit zu tun, dass dort so eine Ruhe ist, wenn ich nach Hause komme. Es gibt den Marktplatz, wo man sich hinsetzen kann, um noch einen Wein zu trinken. Am Samstag gehe ich dort auf den Wochenmarkt. Aber ich überlege, vielleicht doch nach Ludwigsburg zu ziehen, weil es einfacher ist, wenn man noch mit Künstlern weggeht und zu Fuß nach Hause kommt.