Da die erwarteten Baukosten steigen und so die Marke von 360 000 Euro überschritten würde, stimmt der Förderverein einer Variante zu, in welcher der Grundriss der Synagoge nicht angehoben und auch nicht durch eine Lichtkante markiert wird.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Die Geschichte der Umgestaltung des Synagogenplatzes ist eine lange. Doch im November soll sie nun endlich zu Ende gehen. Dann soll zum ersten Mal eine Gedenkveranstaltung auf dem neu gestalteten Platz stattfinden. Allerdings werden nun doch nicht alle Details umgesetzt, auf die sich der Gemeinderat und der Förderverein Synagogenplatz ursprünglich geeinigt hatten.

 

Nicht mehr realisiert wird nun der angehobene und mit einem Leuchtstrahl markierte Grundriss des in der Pogromnacht 1938 zerstörten Gotteshauses. Die Informationsstele und die auf dem Platz verstreuten Koffer, die an die ermordeten jüdischen Bürger erinnern sollen, werden jedoch aufgestellt. Der Förderverein Synagogenplatz kann mit dieser abgespeckten Varianten leben. „Es ist uns lieber, dass das geschieht, als dass nichts passiert“, sagt der Vorsitzende Jochen Faber voller Zweckoptimismus.

Der Förderverein muss 120000 Euro Spenden eintreiben

Der Grund für die Planungsänderungen sind gestiegene Baukosten. Statt bei 360 000 Euro, auf die sich der Gemeinderat als Kostendeckel geeinigt hat, würde die Platzerneuerung nun mit 420 000 Euro zu Buche schlagen. 120 000 Euro, also ein Drittel der veranschlagten Kosten, so der Gemeinderatsbeschluss vom November letzten Jahres, muss der Förderverein Synagogenplatz selbst durch Spenden finanzieren. Der Baubeginn sollte erst sein, wenn er die Hälfte davon eingesammelt hat. Das ist seit mehr als einem Monat der Fall. Momentan liege man bei 76 000 Euro, sagt Jochen Faber. 40 000 Euro kommen von der Bürgerstiftung. „36 000 Euro haben wir auf anderem Wege bekommen“. Firmen, Verbände aber auch Einzelpersonen unterstützen das Vorhaben. „Das geht von der Kleinstspende bis zu größeren Beträgen“, beschreibt Jochen Faber die Spendenakquise. Mündlich zugesagt sind noch einmal je 2500 Euro für drei Koffer und weitere 2000 Euro. „Es ist eine zähe und lange Strecke“, die der Verein zurücklegen müsse.

Die Koffer bleiben Teil des Konzepts

Wahrscheinlich werde man auch noch einmal schauen, ob sich am Asphalt noch etwas einsparen lasse, sagte der Baubürgermeister Michael Ilk bei der Sitzung des Bauausschusses am Mittwochabend. Die jetzigen Zahlen sehen nur einen Planungspuffer von 800 Euro vor.

Dieter Juranek (SPD) bedauerte, dass durch den Verzicht auf das Anheben des Synagogengrundrisses der Effekt verloren gehe, dass man stolpere. „Da geht das Wesentliche des Platzes verloren“. Er regte an, stattdessen vorerst auf die Koffer zu verzichten, da man sie später ergänzen könne. Noch einmal brachte Juranek seine Unmut über die Finanzierung der Umgestaltung durch Spenden zum Ausdruck. Auch Harald Lettrari (Republikaner) wollte die Koffer verbannen – vergeblich. Auf die 25 Koffer lege der Förderverein großen Wert, erklärte Ilk. Die abgespeckte Synagogenplatzplanung passierte den Ausschuss mit zwei Gegenstimmen.

Pro: Die finanzielle Beteiligung der Bürger ist sinnvoll

Wir haben uns daran gewöhnt, dass sich Institutionen und Verbände stellvertretend für uns erinnern. Dafür haben wir den Volkstrauertag und den 1. September als Anti-Kriegstag und vielleicht auch noch die Ostermärsche, auf denen dann doch keiner mitläuft. Hinter dem allgemeinen, in die Gesellschaft implantierten Gedenken kann man sich gut verstecken und das Erinnern delegieren. Man muss sich nicht mehr selbst bekennen, keine Position einnehmen und auch nicht selbst argumentieren. Kurz: man treibt irgendwie mit im kollektiven Strom der Erinnerung – getreu dem Motto „Ihr macht das schon für mich!“

So einfach ist es aber nicht – oder sollte es zumindest nicht sein. Deshalb kann man der Ludwigsburger Lösung, die Umgestaltung des Synagogenplatzes finanziell zumindest teilweise in die Hände der Bürger der Stadt zu legen, durchaus auch Gutes abgewinnen. Sie nimmt uns alle in die Pflicht, ein Bekenntnis darüber abzulegen, was uns die Erinnerung an eine Zeit wirklich wert ist, in der die meisten von uns nicht gelebt haben, vor deren Verführungen wir aber sicher alle nicht 100-prozentig gefeit gewesen wären. Das ist kein Ablasshandel. Das ist eine aktive Vergegenwärtigung der eigenen Positionen.

Dabei geht es nicht um große Beträge. Niemand muss einen der 25 Koffer à 2500 Euro vollständig finanzieren. Jeder Euro zählt und kann Wellen werfen wie ein Steinwurf ins Wasser. Denn es sind die kleinen Initiativen, welche die Erinnerung bei Vereinsfesten und in Firmenkantinen, an Orten also, wo die barbarischen NS-Verbrechen und unser Umgang mit ihnen kein Thema sind, wieder mitten ins Leben holen. Dorthin, wo sie hingehört.

Kontra: Das Feilschen der Stadt ist würdelos

Fast alles an diesem Platz ist umstritten. Über die Gestaltung wurde gestritten, über die Koffer wurde gestritten, über Bäume, den Untergrund, den Grundriss und natürlich immer wieder ums Geld. Mit der Folge, dass seit einer gefühlten Ewigkeit debattiert wird, was mit dem Synagogenplatz geschehen soll, ohne dass je etwas geschehen wäre. Nun ließe sich argumentieren, dass das zähe Ringen um Kompromisse ein unverzichtbarer Teil einer lebendigen Demokratie ist. Die Frage ist aber, warum gerade bei diesem sensiblen Vorhaben die Streitkultur derart überstrapaziert werden musste.

Nach außen gab die Stadt damit kein gutes Bild ab, und in dieses Bild passt dann eben auch, dass sich der Gemeinderat bis zuletzt nicht auf eine auskömmliche Finanzierung einigen konnte. Natürlich ist das Engagement, auch das finanzielle Engagement des Fördervereins und der Sponsoren ausdrücklich zu loben. Zu kritisieren ist aber die finanzielle Zurückhaltung der Stadt selbst. Es gibt andere Projekte, die sich dazu eignen, die Bürgerschaft in die Pflicht zu nehmen – wenn etwa in einem Stadtteil ein teurer Brunnen aufgestellt oder ein hübscher Abenteuerspielplatz angelegt werden soll, ist die Suche nach Spendern völlig legitim.

Die Sanierung eines Platzes, der wie kein anderer in Ludwigsburg an die Gräueltaten der Nazis erinnert, an Drittmittel zu knüpfen, ist jedoch zumindest fragwürdig. Geradezu würdelos wirkt es, dass die Pläne nun wieder abgespeckt werden müssen, nur weil ein paar tausend Euro fehlen. Sparen ist richtig, oft jedenfalls. Sparen um jeden Preis hingegen wird der Bedeutung dieses Projekts nicht gerecht – und kostet Glaubwürdigkeit.