Die Schadstoffbelastung im Ludwigsburger Bildungszentrum West ist hoch. Schüler und Pädagogen klagen über Reizungen von Augen und Schleimhäuten. Die Elternvertreter werfen der Stadt vor, die Problematik verschwiegen und verharmlost zu haben.

Ludwigsburg - Lehrer und Schüler des Bildungszentrums West klagen über Augenreizungen, Atembeschwerden oder Hautausschläge. Die Elternvertreter glauben, es liege an der schadstoffhaltigen Luft in den Siebziger-Jahre-Bauten. Und sie fühlen sich darin durch ein Gutachten der Gesundheitsbehörde des Landkreises bestätigt. Diese hat bereits 2009 PCB- und Formaldehyd-Werte in kritischen Dosen gemessen. Das Amt folgerte: Die Schulen müssen zwar nicht geschlossen werden, um jedoch Gesundheitsrisiken ausschließen zu können, müssen die Räume sorgfältig gereinigt und sehr oft gelüftet werden.

 

Kein rigider Lüftungsplan

Doch viele Eltern sprechen von Verharmlosung oder gar gezielter Verheimlichung. Denn erste und spärliche Antworten seien von Seiten der Stadt erst im März dieses Jahres zu erhalten gewesen – und auch das nur auf Nachfrage. Weder die Eltern noch der Hausmeister des Otto-Hahn-Gymnasiums hätten gewusst, wie es um die Raumluft steht, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Christine Knoß. Und das, obwohl das Gesundheitsamt 2010 die entsprechenden Empfehlungen ausgegeben hätten: „Wir möchten wissen, wer entschieden hat, dass die Eltern nicht informiert werden.“

Die Verwaltung habe die Betroffenen nicht rechtzeitig und umfassend aufgeklärt, kritisiert auch der Grünen-Stadtrat Michael Vierling. „Da in den Schulen kein rigider Lüftungsplan umgesetzt wurde und weitere Messungen unterblieben, muss befürchtet werden, dass Schüler und Lehrer seither des öfteren Formaldehydbelastungen ausgesetzt waren, die den Richtwert überschritten haben.“ In der Raumluft sind 0,11 bis 0,14 Milligramm Formaldehyd pro Kubikmeter Luft gemessen worden – der Richtwert liegt bei 0,12 Milligramm. Die PCB-Werte lagen in einzelnen Räumen bei 428 Nanogramm pro Kubikmeter, der Richtwert liegt bei 300 Nanogramm.

„Dieser Vorwurf trifft uns schon“, sagt Baubürgermeister Michael Ilk. Er könne sich nicht erklären, wo die Informationen versickert seien. Zumal seit Langem bekannt sei, dass das Schulzentrum umfassend saniert werden muss. „In der Stadtverwaltung hat jedenfalls niemand gesagt, da muss ein Deckmantel drüber gelegt werden. Ganz im im Gegenteil: wir gehen damit offensiv um“, sagt Ilk. In der öffentlichen Debatte würden oft Richt- und Grenzwerte vertauscht. Die wirklich bedrohlichen Grenzwerte lägen weitaus höher. Mit Richtwerten bewege man sich dagegen nur im Bereich von Empfehlungen.

Rektor arbeitet bei offenem Fenster

„Ich weiß nicht, warum das alles jetzt hochgekocht ist“, sagt Erika Schulze, die Rektorin der Gottlieb-Daimler-Realschule. „Wir leben schon lange mit diesen Problemen.“ Eine Elterninformation habe es in dieser Sache 2010 sehr wohl gegeben. Eine Handlungsanweisung an die Hausmeister, für eine regelmäßige Stoßlüftung in den Schulräumen zu sorgen, jedoch nicht. „Worunter wir wirklich leiden, das sind Klassenzimmer ohne Fenster“, sagt Schulze. „Wir achten darauf, dass die Schüler nur je eine Stunde dort Physik oder Musik haben, aber die Fachlehrer sind deutlich länger dort.“ Einige von ihnen litten auffallend oft unter unerklärlich langwierigen Erkältungen sowie unter Augen- und Hautreizungen, sagt die Rektorin. Aber natürlich sei es schwer, dafür eine Kausalität herzustellen.

Auch der Schulleiter Mathias Hilbert klagt über Dunkelräume, wie er sie nennt. Am Otto-Hahn-Gymnasium plane man ebenfalls so, dass sich die Schüler höchstens zwei Schulstunden darin aufhielten; außerdem achte man darauf, dass die Türen die meiste Zeit offenstünden, damit ein Luftaustausch über das Atrium möglich ist. „Ich selbst sitze in dem am schlimmsten belasteten Zimmer, deshalb habe ich immer die Fenster offen“, sagt Hilbert. Doch auch wenn die Raumluft nicht die beste sei, so hält er sie doch nicht für gesundheitsgefährdend. Hilbert hofft, wie seine Realschulkollegin, dass die Situation von 2017 an besser wird. Dann soll das Bildungszentrum saniert oder neu gebaut werden. So zumindest der letzte Stand der städtischen Planungen. „So lange müssen wir noch durchhalten“, sagt Hilbert.