Ein 44-Jähriger aus Oberstenfeld (Kreis Ludwigsburg) muss sich derzeit vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Ihm wird vorgeworfen, in mehr als 200 Fällen seine Stiefkinder sexuell missbraucht zu haben.

Ludwigsburg - Vor dem Stuttgarter Landgericht muss sich zurzeit ein 44-Jähriger aus dem Kreis wegen sexuellen Missbrauchs in mehr als 200 Fällen verantworten. Dem Mann wird vorgeworfen, Anfang der 2000er Jahre den Sohn und die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin über mehrere Jahre hinweg missbraucht und vergewaltigt zu haben. Die Kinder sollen zu Beginn der Taten erst zwischen sieben und zehn Jahre alt gewesen sein.

 

Beim Prozessauftakt am Freitag ist der Angeklagte aus Oberstenfeld sichtlich aufgewühlt. Er schluchzt immer wieder und bricht mehrfach in Tränen aus. Die Vorwürfe räumt der Angeklagte zwar im Wesentlichen ein – beschreibt die Übergriffe aber als viel harmloser als in der Anklage vermerkt. Zudem behauptet er immer wieder, es habe sich um sehr viel weniger Taten innerhalb eines kürzeren Zeitraums gehandelt, als ihm vorgeworfen werde.

Siebenjährige belästigt, wenn Mutter nicht da war

Laut der Anklageschrift soll der 44-Jährige im Jahr 2001 oder 2002 begonnen haben, die zu dem Zeitpunkt siebenjährige Tochter seiner damaligen Freundin auszuziehen, zu küssen und im Intimbereich zu begrapschen. Die Übergriffe sollen immer dann in der gemeinsamen Wohnung stattgefunden haben, wenn die Mutter nicht anwesend war. Der Anklage nach soll der Mann das Mädchen bis zur Trennung von dessen Mutter im Jahr 2005 etwa zwei Mal im Monat auf diese Weise belästigt haben. Ihm wird deshalb sexueller Missbrauch in mindestens 72 Fällen vorgeworfen.

Zusätzlich soll sich der 44-Jährige auch am Sohn seiner Lebensgefährtin vergangen haben, wenn diese nicht zu Hause war. Hier soll der Angeklagte noch weitergegangen sein und den zu Beginn etwa zehnjährigen Jungen regelmäßig dazu gezwungen haben, ihn sexuell zu befriedigen. Laut Anklage fand in den Jahren 2002 bis 2005 etwa alle zwei bis drei Wochen ein Übergriff dieser Art statt. Summa summarum gingen deshalb weitere 130 Fälle von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern auf das Konto des Angeklagten.

Vor Gericht räumt der 44-Jährige die Anklagepunkte in weiten Teilen ein. Er habe beide Kinder missbraucht und wisse, dass dies unverzeihlich sei, sagt er unter Tränen. Er wisse auch nicht, warum er dies getan habe. Allerdings sei er sicher, das Mädchen nicht mehr als zehn Mal belästigt zu haben: „Ich habe dabei keine sexuelle Erregung gespürt, deshalb habe ich auch wieder aufgehört“, erklärt er. Auch die Übergriffe auf den Jungen seien nach seiner Erinnerung viel seltener vorgekommen, als ihm angekreidet werde: „höchstens 40- oder 45-mal“. Zudem beschreibt er die Situationen als recht einvernehmlich. So habe er erst damit angefangen, nachdem der Junge ihm von ersten sexuellen Erfahrungen erzählt habe. Zudem habe er ihn immer gefragt, ob er ihn befriedigen wolle – geschlagen habe er ihn hingegen nie.

Angeklagter räumt Vorwürfe weitgehend ein

Dem Staatsanwalt platzt angesichts dieser Erläuterungen für einen Moment der Kragen: „Erst sagen Sie, die Anklage stimmt und dann stellen Sie alles ganz anders dar“, kritisiert er – nämlich so, als ob die Initialzündung vom Jungen gekommen sei. Zudem behaupte der Angeklagte vielfach, sich nicht zu erinnern. Aber dass die Taten weniger schlimm und oft gewesen seien als ihm vorgeworfen werde, daran erinnere er sich – das sei widersprüchlich. Im Übrigen verstehe er nicht, wie jemand mit seiner Vergangenheit so mit Kindern umgehen könne: Der Angeklagte hatte zuvor ausführlich von seiner Kindheit unter der Fuchtel eines alkoholkranken, gewalttätigen Vaters berichten lassen. Diese Vergangenheit habe ihn in die Drogensucht und auf die schiefe Bahn getrieben, hatte der mehrfach Vorbestrafte erklärt. Der Prozess wird am 4. November fortgesetzt.