Das Institut für Antidiskriminierungs- und Diversityfragen und die Diakonie Württemberg haben ein Fortbildungsseminar für Flüchtlingsarbeit gestartet. Es soll ein Baustein bei der Entwicklung von Qualitätsstandards für diesen Bereich sein.

Ludwigsburg - Beim Pilotprojekt „Offene Hochschule“ am Institut für Antidiskriminierungs- und Diversityfragen (IAD) an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg entwickeln Flüchtlinge, Ehrenamtliche und Studenten gemeinsam neue Ansätze für „ein gutes, interkulturelles Zusammenleben“. Laut Beate Aschenbrenner-Wellmann, der Leiterin des IAD, geht es dabei nicht nur um Wissensvermittlung. Der Fokus liege vor allem auf der Arbeit mit persönlichen Erfahrungen und individuellen Einstellungen.
Beate Aschenbrenner- Wellmann Foto: privat
Frau Aschenbrenner-Wellmann, was versprechen Sie sich von dem neuen Projekt?
Es gibt sehr viele Arbeitskreise, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. In diesen sind vor allem Ehrenamtliche aktiv, Hauptamtliche gibt es in dem Bereich hingegen nur wenige. Daher wollten wir ein umfassendes Qualifizierungsprogramm für die Arbeit mit Flüchtlingen ins Leben rufen. Das Ziel ist die Förderung der interkulturellen Kompetenz bei den Teilnehmern. Letztendlich hoffen wir natürlich, dass sie später als Multiplikatoren wirken und das Zusammenleben verschiedener Kulturen in der Gesellschaft aktiv gestalten. Wir haben Anträge bei verschiedenen Einrichtungen und Behörden gestellt, aber bislang haben wir noch keine Zusage für eine Förderung des Programms. Deshalb haben wir in Kooperation mit der Diakonie Württemberg nun erst einmal das Pilotprojekt „Offene Hochschule“ auf den Weg gebracht.
Was hat es damit auf sich?
Es ist ein Paradigmenwechsel in der Politik zu beobachten: Migranten, also auch Flüchtlinge, werden immer mehr als Ressource wahrgenommen. Angesichts dieser Entwicklung wollten wir ein innovatives Projekt anstoßen, bei dem sich die Hochschule selbst für Diversität und Interkulturalität öffnet. Wir wollten eine sehr heterogene Gruppe zusammenbringen und schauen, was diese Zusammensetzung für einen Mehrwert bringt. Also haben wir ein Seminar der Bachelor-Ausbildung „Soziale Arbeit“ für Flüchtlinge und Ehrenamtliche geöffnet. Neben 20 Studenten nehmen nun zehn Ehrenamtliche sowie 15 Flüchtlinge an der innovativen Lehrveranstaltung teil.
Müssen die Flüchtlinge ihr Asylverfahren bereits abgeschlossen haben, um teilnehmen zu können?
Nein. Wir prüfen gar nicht, in welchem Stadium sich die Verfahren der Teilnehmer befinden. Der Zugang zu unserem Angebot soll völlig unbürokratisch sein. Wichtig ist nur, dass die Teilnehmer interessiert sind und dass sie Deutsch oder Englisch sprechen können. Außerdem sollten sie im näheren Umkreis wohnen. Die 15 Flüchtlinge, die an dem aktuellen Seminar teilnehmen, kommen ursprünglich aus Syrien, Afghanistan, dem Iran, Nigeria und Gambia und leben derzeit in Reutlingen und im Kreis Ludwigsburg.
Welche Themen werden in dem Seminar behandelt?
Beim ersten Treffen, das in der vergangenen Woche stattgefunden hat, ging es um die Geschichte Deutschlands als Zuwanderungsland. Das ist auf sehr großes Interesse gestoßen – auch weil selbst viele Deutsche nicht allzu viel über diesen Aspekt wissen. In der nächsten Einheit wird es um interkulturelle Arbeit im Gemeinwesen gehen: Es soll erarbeitet werden, was jetzt in Deutschland passieren muss, um sich an die neue Situation anzupassen. Außerdem steht noch das Thema Asylrecht auf der Agenda, zudem sollen verschiedene Projekte vorgestellt und zudem Ideen für künftige Projekte entwickelt werden. Insgesamt geht es aber weniger um die Vermittlung von Wissen im Sinne von harten Fakten.
Sondern?
Es geht vor allem um Biografiearbeit. Die Teilnehmer sollen sich mit ihrer eigenen Haltung auseinandersetzen. Schließlich geht es bei der interkulturellen Kompetenz ja viel um die eigene Einstellung und darum, Fremdes an sich heranzulassen. Dafür ist diese Gruppe sicherlich ideal. Das Konzept ist ohnehin sehr offen angelegt. Es gibt zwar einen thematischen Rahmen, aber wir wollen auch auf Rückmeldungen reagieren. Beim ersten Treffen hat sich bereits der Wunsch herauskristallisiert, viel mit den persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer zu arbeiten.
Sie begleiten das Projekt wissenschaftlich. Mit welcher Fragestellung?
Bei der Evaluation wird untersucht, welche Faktoren zum Gelingen eines solchen Projektes beitragen und was noch verbessert werden muss. Unter anderem haben wir die Teilnehmer vor Beginn des Seminars befragt und werden dies nach dem Abschluss im Juli erneut tun. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in einer schriftlichen Dokumentation dargestellt. Letztlich geht es uns darum, Qualitätsstandards für die Arbeit mit Flüchtlingen zu entwickeln. Außerdem fließen die Ergebnisse des Projekts natürlich in unsere Lehrveranstaltungen ein. Ob wir ein solches Seminar noch einmal anbieten oder ob dieses sogar in ein dauerhaftes Projekt münden kann, ist aber noch unklar. Auch, weil es mit sehr viel Aufwand verbunden ist.