Als erstes Gymnasium in der Stadt will das Mörike Schülern auch neun Jahre Zeit bis zum Abitur lassen dürfen. Die Grünen im Sozialausschuss kritisieren das Vorgehen als „unfairen Wettbewerb“.

Ludwigsburg - Die Zeiten der friedlichen Koexistenz sind offenbar vorbei. Zwischen den vier Gymnasien in der Stadt Ludwigsburg ist ein Wettbewerb um Schüler ausgebrochen. „Seit dem Sommer überschlagen sich die Ereignisse“, sagt der Sozialbürgermeister Konrad Seigfried. Nachdem das Otto-Hahn-Gymnasium seinen Sportlern eine Schulzeitstreckung ermöglichen will und das Schiller- sowie das Goethe-Gymnasium bald ein Ganztagsangebot für den Nachwuchs etablieren möchten, strebt das Mörike nun auf einem anderen Weg voran: Als erstes Gymnasium in der Stadt will es in zwei seiner fünften Klassen vom kommenden Schuljahr an einen neunjährigen Weg zum Abitur einrichten.

 

Eine große Mehrheit der Stadträte hat am Mittwoch im Sozialausschuss dem Last-Minute-Antrag zugestimmt: Spätestens Anfang Dezember muss das Schreiben bereits beim Regierungspräsidium Stuttgart eingereicht sein.

Die Chancen auf Erfolg sind unkalkulierbar

Andere Schulen im Kreis waren früher dran. Das Christoph-Schrempf-Gymnasium in Besigheim und die Bietigheimer Ellental-Gymnasien haben sich schon im vergangenen Jahr beim ersten Schulversuch vergeblich beworben und nun einen zweiten Anlauf genommen. Auch das Hans-Grüninger-Gymnasium in Markgröningen und das Vaihinger Friedrich-Abel-Gymnasium haben ihre Anträge längst abgegeben. Wie sie ihre Chancen einzuschätzen haben, kann keiner der Schulleiter sagen. Nach der bisherigen Regelung müssten sie eigentlich gleich Null sein. Denn mit dem Marbacher Schiller-Gymnasium ist die eine erlaubte G9-Schule pro Landkreis bereits abgedeckt. Zudem sollen landesweit nur 44 weitere Institutionen zum Schulversuch zugelassen werden. Beworben haben sich drei Mal so viele.

Wer tatsächlich zum G9-Zug komme, sei noch völlig „unkalkulierbar“, meint Seigfried. Er gehe aber davon aus, dass das Land seine Prinzipien bald aufweichen werde, sodass „danach alle Gymnasien in Ludwigsburg nachziehen können“. Denn wegen der unabsehbaren Risiken und Folgen, die das Voranpreschen des Mörike-Gymnasiums birgt, ist der Stadtverwaltung etwas mulmig zumute. So ist Seigfried einerseits höchst erfreut darüber, dass die „erkennbar ehrgeizigen Schulleiter“ den Eltern durch ihre weiter ausdifferenzierten Profile eine große Wahlfreiheit ermöglichen. Andererseits will er vermeiden, dass die anderen bei einem allzu starken Ansturm aufs Mörike das Nachsehen haben und zu viele Schüler verlieren. Dies gefährde ein sensibel austariertes Gleichgewicht. Egal wie groß die Nachfrage ausfällt: das Mörike dürfe neben zwei bis drei G8-Klassen maximal zwei G9-Klassen anbieten, betont Renate Schmetz, die Leiterin des Fachbereichs Bildung, Familie und Sport. Unklar sei aber auch, nach welchen Kriterien und Landesvorgaben bei größerem Andrang ausgewählt würde.

Grüne kritisieren „unfairen Wettbewerb“

Auch die Räte im Sozialausschuss sehen den Mörike-Antrag mit gemischten Gefühlen. Roland Kromer (CDU) findet an der Schule die Voraussetzungen dafür „geradezu ideal“ erfüllt, auch wenn dadurch „die ganze gymnasiale Situation ins Rutschen kommt“. Hubertus von Stackelberg (SPD) hofft ebenfalls, dass die anderen Gymnasien folgen dürfen; der bisherigen „Koalition der Vier“ seien die „Spielregeln der Kooperation“ derzeit abhanden gekommen. Die FDP will dem offensichtlich starken Elternwunsch nach G9 „nicht entgegen stehen“. Die Freie Wählerin Gabriele Moersch wiederum hat „Vertrauen, dass viele Eltern ihren Kindern auch G8 zutrauen“

Scharf kritisiert wurde das Mörike-Ansinnen von den Grünen. Der „unfaire Wettbewerb“ habe in der gymnasialen Landschaft der Stadt „ein mittleres Erdbeben ausgelöst“, sagte Michael Vierling. Es sei „unseriös“, bei den Eltern Erwartungen zu wecken, „die nicht erfüllt werden können“.