Eine Einkaufsmöglichkeit am Ortsrand sei besser als gar keine, sagt der Regionalplaner Thomas Kiwitt. Der neue Lebensmittelmarkt in Neckarweihingen liegt genau dort: am Ortsrand.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)
Ludwigsburg – - Die Ansiedelung von Supermärkten erfolgt nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien. Den Versuchen, in Kommunen mit zu geringer Einwohnerzahl durch ehrenamtliches Engagement Läden am Laufen zu halten, gibt Thomas Kiwitt, der Chefplaner beim Verband Region Stuttgart, langfristig keine Chance.
Herr Kiwitt, der Regionalplan sagt aus, dass die Grundversorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs in allen Städten und Gemeinden möglich sein soll. Müssen Sie da nicht langsam passen?
Nein. Wir können natürlich nicht überall selbst einen Laden eröffnen. Aber wir schaffen es, unter den gegebenen Rahmenbedingungen in vielen Orten eine zufriedenstellende Versorgung herzustellen. In der Region Stuttgart sind die Kommunen meist relativ klein. Von den 179 Städten und Gemeinden haben zwei Drittel weniger als 10 000 Einwohner. Davon hat noch mal mehr als die Hälfte keine 5000 Einwohner – und kommt damit schon in einen betriebswirtschaftlich kritischen Bereich.
Die 4000er-Marke entscheidet, ob sich ein Einzelhandelsmarkt rechnet.
Exakt. Und an diesen wirtschaftlichen Zwängen kommt man nicht vorbei: Ein Laden muss sich rentieren, sonst betreibt ihn niemand. Auch die Möglichkeiten, etwa mit Bonus- oder Cap-Märkten einen Ersatz zu organisieren, sind begrenzt.
Die Region macht aber zugleich auch deutlich, dass es Gründe gibt, am Ziel örtlicher Versorgung festzuhalten. Stichwort Klimawandel: wer große Strecken fährt, begünstigt den Klimawandel. Und auch Stichwort demografischer Wandel: wer alt ist, kann keine großen Strecken mehr zurücklegen. Was können Sie also tun?
Ich halte die regionalplanerischen Möglichkeiten für weitreichend. Denn es gelten drei Prinzipien, auf deren Einhaltung bei allen Einzelhandelsgroßprojekten sehr genau geachtet wird. Es gilt das Beeinträchtigungsverbot, nach dem sich die Orte nicht gegenseitig kannibalisieren dürfen. Außerdem muss gemäß dem Kongruenzgebot jeder Laden zur Größe der Standortkommune passen und darf nicht übermäßige Kaufkraft aus dem weiteren Umland anziehen. Und zudem wird mit dem Integrationsgebot darauf abgezielt, die Läden in die Ortsmitten zu bringen.
Das ist für manche Gemeinden aber offenbar sehr schwierig.
Manchmal schon. Und darum gibt es im Hinblick auf die Grundversorgung auch Ausnahmen. Denn ein Laden am Ortsrand ist dann doch besser als gar keine Versorgung in der Gemeinde. So eine Diskussion gab es ja auch in Neckarweihingen, wo der Markt letztlich nicht in der Ortsmitte liegt. Aber immerhin so, dass er für die rund 2500 Einwohner des Gebiets Neckarterrassen zu Fuß erreichbar ist.
Über die Lage haben die Bürger entschieden.
Nach intensiver Diskussion. Ähnlich wie jetzt in Löchgau, wo auch nicht jeder über einen Markt in der Nachbarschaft glücklich zu sein scheint. Bei Läden und Kindergärten gibt es ähnliche Tendenzen zu beobachten: Für beide gilt häufig die Forderung, auf Randlagen auszuweichen.
Was können die Kommunen tun?
Sie können in erster Linie dafür Sorge tragen, dass sie langfristig innerhalb der Ortskerne geeignete Flächen für zeitgemäße Märkte zur Verfügung stellen.
Das versucht zum Beispiel Freudental jetzt wieder.
Dort stünde sogar eine geeignete Fläche zur Verfügung. Leider findet sich trotz viel Engagement aus dem Rathaus, das wir gerne unterstützt haben, kein Betreiber. In erster Linie wohl deshalb, weil der Ort eine zu geringe Nachfrage sprich Einwohnerzahl aufweist.
Sind solche kleinen Gemeinden dann auf das Engagement einzelner Engagierter – wie bei den „Drehpunkt“-Märkten – angewiesen?
In den ganz kleinen Gemeinden ist mit den üblichen normalen Verfahren die Versorgung nicht immer zu gewährleisten. Aus dünner besiedelten ländlichen Räumen kennt man in solchen Fällen Ersatzmaßnahmen wie etwa die Idee des „Ladens im Rathaus“ mit entsprechender Mietsubvention und ehrenamtlichen Betreibern. Weil aber bei uns in der Region Stuttgart der nächste Laden, wenn auch nicht im Ort selbst, meist nicht allzu weit entfernt ist, leben solche kleineren Märkte immer auch von der Bereitschaft der Bevölkerung, dieses Angebot auch zu nutzen. Allerdings werden auf Dauer nicht alle Kunden mit einer Auswahl von nur zwei Sorten Joghurt zufrieden sein.