Nun soll es endgültig sein: Die Ludwigsburger Schulamtsleiterin Gabriele Traub hat das Ende des kreisweiten Modells zur Förderung für lese- und rechtschreibschwache Kinder verkündet. Die neun Stellen, die es seit 2001 dafür gegeben hat, sind gestrichen.

Ludwigsburg - Die neun Leseklassen im Kreis Ludwigsburg wird es in diesem Schuljahr nicht mehr geben. Das hat Gabriele Traub erklärt. Damit zieht die Leiterin des Staatlichen Schulamts einen Schlussstrich unter eine Debatte, die Eltern und Lehrer auf der einen Seite und Kultusministerium und Schulbehörde auf der anderen seit Juni führen. Damals hatte Traub angekündigt, dass diese Art der Förderung von lese- und rechtschreibschwachen Grundschülern ersatzlos gestrichen werden müsse, weil zu viele Lehrer für den Regelunterricht fehlten. Die Anzahl der Langzeiterkrankten und der Schwangeren sei zu hoch. Um diese Pädagogen im Regelunterricht zu ersetzen, müssten die Förderklassen aufgegeben werden. In ihrer gestrigen Erklärung stellte die Schulamtsleiterin dazu ein Konzept in Aussicht, das die Rechtschreibförderung schon von der ersten Klasse an sicherstellen werde.

 

Verzweifelte Eltern

Im Kreis Ludwigsburg gab es seit 2001 neun solcher Klassen. Unter anderem in Kornwestheim, Marbach, Bietigheim-Bissingen, Ludwigsburg und Ditzingen. Kinder der zweiten Jahrgangsstufe, die große Probleme mit dem Lesen und dem Schreiben hatten, wurden aus ihrem Klassenverband genommen und für drei Monate zum intensiven Förderunterricht in eine solche Leseklasse eingegliedert. Praktiker wie der Lehrer Peter Wacker aus Oberstenfeld versichern, die Erfolgsquote habe bei 75 Prozent gelegen. Erwin Weiblen, dessen Sohn vor sechs Jahren die Leseklasse in Bietigheim besuchte, erzählt: „Vor Beginn der drei Monate waren wir verzweifelt, dass es mit dem Lesen bei unserem Jungen nicht klappt, danach wussten wir nicht, wo wir den Lesenachschub hernehmen sollten.“

Lehrer wie Eltern wollten die Entscheidung des Schulamtes nicht kampflos hinnehmen. Sie versuchten durch Gespräche, Unterschriftensammlungen, Petitionen und Initiativenarbeit die Entscheider umzustimmen. Einer der sich vehement für den Erhalt einsetzen wollte, war Claus Schmiedel, der Vorsitzende der SPD im Landtag. Auch er hat indes nicht verhindert, dass Gabriele Traub den Elterninitiativen gestern Nachmittag an einem Runden Tisch eröffnete, dass es bei dem Beschluss vom Juni bleibt. Es werde also keine Leseklassen mehr geben.

Allerdings solle das Know-how aus den zwölf Jahren Förderung in ein neues Konzept einfließen, das schon in der ersten Klasse ansetzt. „Damit verlegen wir den Schwerpunkt der Lese-Rechtschreib-Arbeit nun stärker auf die Prävention“, sagt Traub. Im laufenden Schuljahr werde „ein Beratungssystem mit Ansprechpartner eingerichtet“, das vor allem Lehrern der ersten Klasse helfen soll. Um die Umsetzung des neuen Konzept zu forcieren, werde eine Lehrerstelle geschaffen.

SPD arbeitet an „politischer Antwort“

Die Lehrer, die sich dazu aber nicht mehr mit Namen äußern dürfen, „finden es schade“. Die Eltern haben wenig Hoffnung, doch noch etwas drehen zu können – wenigstens für das Schuljahr 2014/2015. „Wir haben zurzeit keine Druckmittel mehr“, sagt Weiblen. Das Kalkül des Schulamts sei aufgegangen: Dass kurz auf die Verkündung des Endes die Sommerferien begonnen haben, habe dem Protest viel Schwung genommen. Er fürchtet, dass die Leseklassen auf Dauer wegfallen. „Von neun Leseklassenlehrerinnen sind vier ersten Klassen zugeteilt worden“, sagt Weiblen, der auch Mitglied im Arbeitskreis der Elternbeiräte ist. Damit seien sie auf zwei bis drei Jahre gebunden.

Die Entscheidung über Leseklassen liege beim Schulamt, sagt Schmiedel. Allerdings wolle seine Fraktion noch in dieser Woche den Grundstock dafür legen, dass die Lehrervertretung nicht länger zu Lasten des Förderunterrichts gehe. „Wir haben 65 Millionen Euro an sogenannten Schöpfmitteln, die wollen wir mobilisieren“, sagt der SPD-Politiker. Damit könnten etwa Lehrkräfte mit befristeten Verträgen eingestellt werden. Nur so könne das Problem mit den Langzeiterkrankten gelöst werden. „Das ist unsere politische Antwort darauf“, sagt Claus Schmiedel.