Zur Prioritätenliste für den Tiefbau gibt es weder Diskussionen noch ein Votum des Gemeinderats. Das ist von den Räten selbst so gewollt.

Ludwigsburg - Erst vor wenigen Wochen haben sich die Stadträte die Köpfe heiß diskutiert über die Prioritätenliste für Hochbaumaßnahmen. Schließlich hatten sie diese schon lange gefordert, um die finanziellen Spielräume der Stadt für die Zukunft besser einschätzen und das Geld gezielter einsetzen zu können. Als die Verwaltung im jüngsten Bauausschuss nun ihre Prioritäten für den Tiefbau präsentierte, gab es dagegen gar keine Diskussion. Eine solche war allerdings auch gar nicht vorgesehen gewesen.

 

Offenbar hatte die Mehrheit der Räte in der Haushaltsstrukturkommission und im Ältestenrat dafür plädiert, dass lediglich über die Pläne der Verwaltung informiert, nicht aber darüber entschieden wird. Die Entscheidung entspricht der Haltung der Stadtverwaltung: Beim Bau von Straßen und Grünflächen sei eine Priorisierung schwierig, weil die Vorhaben stets abhängig von Hochbaumaßnahmen seien, sagt Volker Springer, Controller für Bauinvestitionen bei der Stadt. Zudem fielen insbesondere beim Straßenbau oft kurzfristig Sanierungen an, eine langfristige Planung sei daher schwierig.

Grüne und Lubu kritisieren Ratskollegen

Doch nicht alle Räte teilen diese Meinung. Markus Gericke, Fraktionsvorsitzender der Grünen, kann die Entscheidung der Ratskollegen von CDU, SPD und Freien Wählern nicht nachvollziehen. „Ich finde es traurig, dass über den Tiefbau nicht so intensiv diskutiert wird wie über den Hochbau.“ Für die Grünen sei es kein Argument, dass sich beim Tiefbau öfter kurzfristig etwas ändern könne: „Das ist beim Hochbau doch genauso.“ Gericke bezeichnet dieses Vorgehen als „Minderleistung“ des Gemeinderats. Auch Elga Burkhardt (Lubu) kritisiert die Verfahrensweise.

Bei der CDU hingegen sieht man keine Notwendigkeit eines Beschlusses zu dem Thema: Man sei ohnehin mit den Prioritäten der Stadt einverstanden, sagt Reinhold Noz, stellvertretender CDU-Fraktionschef. Im Übrigen sei das Thema viel zu komplex, um es im Ganzen zu behandeln, sagt auch Daniel O’Sullivan (SPD). Es sei sinnvoll, dass die Projekte stattdessen einzeln in den Haushaltsberatungen debattiert würden.

Entwicklungsgebiet Ost steht ganz oben

Die Prioritätenliste der Stadt besteht aus zwei Teilen: den Investitionen in den Straßenbau und denen in Grünflächen. Bei den noch nicht beschlossenen Vorhaben steht ganz oben auf der Liste für den Straßenbau das Entwicklungsgebiet Ost. Die Zentrale Innenstadtentwicklung, bei der aktuell die Umgestaltung von Schiller- und Arsenalplatz angedacht ist, belegt Platz zwei, gefolgt von der Sanierung der Mathildenstraße und dann zahlreicher anderer Straßen. Bei den Grünflächen sollen laut Stadt zunächst die Außenanlagen von Schulen und Kindergärten finanziert werden, dann Maßnahmen des Freiflächenentwicklungskonzepts, anschließend die Spiel- und Sportflächen im Lembergblick.

Kommentar: Freiwilliger Verzicht

Sie hätten es haben können: Die Stadtverwaltung hatte eine Beschlussvorlage zu den Prioritäten im Tiefbau für die Stadträte vorbereitet. Doch diese zogen es vor, keine Entscheidung zu treffen und sich lediglich von der Stadt in Kenntnis setzen zu lassen. Das ist schwer nachvollziehbar. Denn es stellt sich die Frage, warum die Räte freiwillig und ohne Not auf eine Einflussmöglichkeit verzichten.

Dieses Verhalten ist vor allem vor dem Hintergrund verwunderlich, dass der Gemeinderat zuvor lange für die Prioritätenlisten gekämpft hatte. Angesichts knapper werdender Kassen wollte sich das Gremium auf diesem Wege Planungssicherheit verschaffen: Man wollte wissen, was sich die Stadt in Zukunft leisten kann und was nicht – und dann entscheiden, was man sich wann leisten will und was nicht.

Natürlich kann es sein, dass die Prioritätenliste nicht so eingehalten wird wie vorgesehen. Aber dennoch ist sie wichtig, weil sie als Leitfaden bindende Wirkung hat. Bis jetzt war es nicht Usus, von Diskussionen und Beschlüssen abzusehen – auch dann nicht, wenn ein Konsens zwischen Gemeinderat und Stadt bestand. Auch die Möglichkeit, dass Unvorhergesehenes passiert, hielt das Gremium bisher nicht von Entscheidungen ab. Man kann nur hoffen, dass dies eine einmalige Sache bleibt – denn das ist keine erstrebenswerte Form der Mitbestimmung von Bürgervertretern.