Gesichter des Krieges: Adolf Ehni, ein Feingeist, der so gar nicht zum Soldaten taugt, fügt sich – und stirbt. In einer Serie erzählen wir die Biografien Ludwisgburger Soldaten, die im Krieg umkamen. Sie entstammen Schichten, sind blutjung oder haben bereits Kriegserfahrung.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Was bleibt von einem, der mit knapp 19 Jahren „im männermordenden Kampf“ des Ersten Weltkriegs gestorben ist? Von Adolf Ehni, geboren am 22. August 1898, gestorben am 25. Mai 1917, haben seine Tagebücher und Feldbriefe überdauert. Als Fahnenjunker kam er nach Ludwigsburg, um seinen Dienst im Württembergischen Feldartillerieregiment 65 zu leisten. Adolf Ehni ist einer von 925 Ludwigsburger Soldaten, die den Ersten Weltkrieg nicht überlebten. Vor genau 100 Jahren, am 1. August 1914, begann das große Sterben auf den Schlachtfeldern Europas.

 

Ehnis Aufzeichnungen und Briefe legen Zeugnis ab von seinen Lebensplänen. Ehni war keiner, der sich in Kriegsromantik erging. „Den Soldatenrock“, so schreibt sein älterer Freund Bruno Roos im Vorwort zu dem Bändchen mit den Briefen, „hat er nicht angezogen in jubelnder Begeisterung“. Und er wollte wohl auch nicht ausschließlich als Soldat in Erinnerung bleiben. Von der Fotografie, welches das kleine Buch enthält, schaut ein blutjunger Mann im zivilen Doppelreiher, das Haar geordnet, aber doch nur so, dass ein Strähne auf die Stirn aus der gegelten Ordnung ausbricht. Bei seinen Eltern hat Adolf Ehni eine Bitte hinterlegt: Es möge jemand, der ihm freundschaftlich verbunden sei, an seiner Bahre noch einmal von ihm und seinem Wesen erzählen. Den Nachruf wollte Ehni nicht den Militärs allein überlassen.

Am Pfingstsonntag 1917 stirbt Adolf Ehni

Aus der Stuttgarter Lessingstraße kam der Absolvent des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums. In einem privilegierten Haushalt wuchs er auf, mit seinen Eltern unternahm der einzige Sohn Reisen ins europäische Ausland. Er interessierte sich für das Theater, die bildende Kunst und die Literatur. In Ludwigsburg begann er seinen Militärdienst. Damit war sein Schicksal besiegelt. Am Pfingstsonntag 1917 durchbohrte ein Geschoss seine Stirn. Den zeitgenössischen Quellen nach war er sofort tot. Wenige Stunden zuvor hat er in seinem letzten Brief an die Eltern geschrieben: „So muss ich jetzt Granaten rüsten, damit sie sausen können zu ihrem Vernichtungswerk.“ Kurz zuvor war er noch zum Unteroffizier befördert worden. Zehn Monate trug er zu diesem Zeitpunkt Uniform.

Am 11. Juli 1916 war er in Ludwigsburg eingerückt und eingekleidet worden. Die schönen Künste wurden durch den Kasernenalltag abgelöst. In dem 18-Jährigen verfestigt sich der Gedanke: „Unser Leben ist Gemeinschaft.“ Rudi, ein Freund aus Schultagen, ist bei ihm. Ehni beobachtet sein neues Umfeld sehr genau: „Völlige Buben sind auch unter den Jungen, sie erledigen das Geschäft, als ob sie in der Sommerfrische auf einer Alm oder beim Onkel auf dem Lande wären. Das Wunderbarste aber ist der Kriegsmut, die Entschlossenheit zum Feld bei manchen Alten Leuten“. Noch kann sich der junge Mann aufs Reflektieren und Beschreiben zurückziehen. Der Krieg ist noch fern.

Der Krieg ergreift Besitz von dem jungen Mann

Das ändert sich im Januar 1917. „Ich bin eigentlich froh, so aus Ludwigsburg herauszukommen und nun rasch im großen Ringen meiner Nation das zu geben, was ein ganz junger Aristokrat zu geben vermag“, schreibt er an seine Eltern. Der Krieg ergreift offensichtlich allmählich Besitz von dem jungen Mann. Am 20. März erlebt er seinen ersten Nachtmarsch. Am 29. März stellt er die Frage: „Wo werden wir später weitermachen? Wir sind nicht für den Krieg geboren.“ Am 15. April berichtet er vom Tod des Freundes Rudi, dem eine Granate das Rückgrat gebrochen hat. „Ich kann es gar nicht fassen“, kommentiert Adolf Ehni. Er selbst hat noch sechs Wochen zu leben, bevor er in der Nähe der französischen Stadt Arras stirbt. „Ich hoffe, dass alles gut gehen wird“, schreibt er als Grußformel unter einen seiner letzten Briefe.

Ein paar Tage nach seiner Feuerbestattung am 11. Juni 1917 wird Adolf Ehni auf dem Stuttgarter Waldfriedhof beigesetzt.