Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und seine Frau Helene sind bei den Ludwigsburger Begegnungen in der Filmakademie zu Gast gewesen.

Sie sind gelassen, locker und geradezu entwaffnend ehrlich: Im Plauderton erzählen Wolfgang und Helene Beltracchi als Gäste der „Ludwigsburger Begegnungen“ in der Filmakademie am Donnerstag von ihrem ehemaligen Leben als Kunstfälscher. Die Stimmung ist heiter, immer wieder bricht das Publikum in Gelächter aus – dass die Beltracchis verurteilte Betrüger sind, die für einen der größten Kunstfälscherskandale der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich sind und erst vor einigen Monaten aus der Haft entlassen wurden, scheint nebensächlich zu sein. Kein Wunder: Wolfgang Beltracchi ist nicht nur ein gewiefter Kunstfälscher, sondern auch ein schlagfertiger Entertainer. Er versteht es, die Sympathien im Saal mit feiner Ironie und einem fast schon unverschämt deutlich zur Schau gestellten Selbstbewusstsein auf seine Seite zu holen – selbst die der Moderatoren.

 

Dabei lässt Wolfgang Beltracchi die beiden Gesprächspartner der Filmakademie, den Geschäftsführer Thomas Schadt und seinen Referenten Guido Lukoscheck, nicht nur einmal gehörig abblitzen, wenn sie versuchen, das Thema Kunstfälschung auf eine feinsinnig-akademische Ebene zu heben. So antwortet er auf die Frage, ob er sich gegenüber den Künstlern, deren Werke er fälschte, nicht schuldig fühle: „Wieso? Die sind doch schon lange tot!“ Also könne er ihnen auch keinen Schaden zufügen. Die Frage, ob er nicht erleichtert gewesen sei, als seine Fälscherei aufflog, beantwortet Beltracchi ganz pragmatisch: „Vorher hatte ich meine Ruhe und war reich, heute kennt mich jeder und ich bin arm.“ Auch der Hinweis darauf, dass einem als Fälscher doch eine eigene künstlerische Handschrift fehle, beeindruckt Beltracchi wenig: Das, was der Kunstmarkt heute als sogenannte eigene Handschrift fordere, sei im Prinzip eine reine Wiederholung der eigenen Technik – nur, damit jeder sofort erkenne, von wem das Werk ist. „Damit grenzt man seine Kreativität enorm ein“, befindet der Maler.

Unbekümmert und völlig frei von Bescheidenheit

Er hingegen habe sich immer wieder neu herausgefordert, indem er sich tief in die Werke vergangener Künstler eingearbeitet habe – so sehr, dass er sich fast schon wie der entsprechende Maler gefühlt habe: „Wenn der Linkshänder war, dann habe ich auch mit links gemalt“, erzählt der 64-Jährige. Er habe stets monatelang recherchiert, sei an die früheren Lebensstationen der Künstler gefahren und habe deren Pinselschrift quasi auswendig gelernt. Dann aber habe er nie einfach ein Bild kopiert, sondern immer ein neues kreiert, das der entsprechende Künstler genauso hätte malen können. Das überzeugte 40 Jahre lang auch die Experten: „Aber das ging nur, weil ich so perfekt war“, sagt Wolfgang Beltracchi ohne den Hauch eines Selbstzweifels.

Es ist wohl auch diese fröhliche Unbekümmertheit und die völlige Abstinenz jeglicher Bescheidenheit Beltracchis, die das Publikum fasziniert. Als wäre es ein Lausbubenstreich gewesen, erzählt der Maler davon, wie er und seine Frau ihr Schlafzimmer ausräumten, im 50er-Jahre-Stil neu dekorierten und mit Werken von Künstlern aus dieser Zeit ausstatteten – nur ein Bild war eine Fälschung von Beltracchi. Mit Hilfe alter Fototechnik und verschiedener Spezialverfahren trimmten sie das Bild auf alt. Dann ließen sie sich von Experten bescheinigen, dass es sich definitiv um ein Foto aus den 50ern handele und nutzten dieses anschließend als Herkunftsnachweis für das gefälschte Gemälde. „Mein Mann hatte ständig so verrückte Ideen“, sagt Helene Beltracchi.

Das Risiko gibt ihm den Kick

Mehr noch: „Er ist ein Grenzgänger“, sagt die Frau des Kunstfälschers, die über die Jahre zu seiner Komplizin geworden war. Er brauche das Risiko, bestätigt Wolfgang Beltracchi, ohne den Kick der Kunstfälscherei wäre ihm langweilig geworden. Und selbst das reichte ihm offenbar nicht immer: „Manchmal hast du es schon sehr weit getrieben“, sagt Helene Beltracchi – woraufhin ihr Mann unter großem Gelächter im Saal fast schon schuldbewusst von einem kleinen Adolf Hitler berichtet, den er mal auf ein Bild gemalt habe, das angeblich aus dem Jahr 1914 stammte. Immerhin habe sie schnell Bescheid gewusst, womit ihr Mann sein Geld verdiente, erzählt Helene Beltracchi. Nur eine Woche, nachdem sie sich kennenlernten, habe er es ihr gesagt. Sie sei natürlich zunächst schockiert gewesen. Aber er habe mit einer solchen Selbstverständlichkeit über seinen Job geredet, dass sie seine Fälscherei bald „wie eine neue Art von Kunst“ sah.

Dabei habe er eigentlich Filmemacher werden wollen, sagt Beltracchi – doch alle seine Filmprojekte seien gescheitert. Es sei geradezu eine Ironie des Schicksals, dass er nun eine eigene TV-Serie habe, Dokumentationen über ihn und seine Frau gedreht wurden und er zig Anfragen für einen Spielfilm über ihr Leben bekomme. Bislang lehnte er diese alle ab: Das Budget sei zu gering für einen guten Film über ihn, sagt er – gewohnt unbescheiden.