Der Chef der Grünen-Fraktion im Ludwigsburger Gemeinderat, Markus Gericke, spricht über eine Stadtbahn-Lösung für die Stadt, die Erweiterung des Breuningerlands – und sein Verhältnis zu Oberbürgermeister Werner Spec.

Ludwigsburg - - Die Stadtbahn soll kommen, aber mit einer Ludwigsburger Lösung, abgekoppelt von den gelben Wagen der Stuttgarter Straßenbahnen. Das sei für die Stadt die einzige Chance, wirklich von der Bahn zu profitieren, sagt der Chef der grünen Ratsfraktion, Markus Gericke.
Herr Gericke, Ludwigsburg ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Soll das so weitergehen oder sind Grenzen erreicht?
Es ist sicherlich schwierig, wenn eine Stadt am Rand ins Grüne hinauswachsen muss. Gleichzeitig ist es aber schön, dass Ludwigsburg so attraktiv ist und viele Menschen hier wohnen wollen. Von daher müssen wir Wohnraum schaffen, die Frage ist wo und in welchem Ausmaß. Und wir müssen schauen, welche Möglichkeiten es gibt, im Innenbereich nachzuverdichten.
Große Neubaugebiete sind nicht Ihr Thema?
Das würde ich nicht sagen. Wir haben das Entwicklungsgebiet Ost, wir haben die Kasernenareale gehabt, und es sind weitere Flächen denkbar, die verkehrstechnisch bereits gut erschlossen sind. Dort können wir bauen. Aber wir brauchen auch intelligente Lösungen, um nicht alle freien Flächen zuzupflastern. Wir haben zu wenige Naherholungsgebiete, zu wenig Wald in und um Ludwigsburg. Da geht es nicht, dass wir endlos bauen.
Mehr Menschen in der Stadt bedeuten auch mehr Verkehr. Zuletzt deshalb viel diskutiert: Seilbahn, Elektrobusse, Stadtbahn. Wäre das nicht fast zu viel an Angebot?
Man muss das Richtige identifizieren und dann machen. Beim Radverkehr hatten wir seit 2003 einen Plan auf dem Tisch, und trotzdem ist zu wenig geschehen. Das Rad ist ein günstiges und leistungsfähiges Verkehrsmittel. Da haben wir Nachholbedarf. Immerhin haben wir die Haushaltsmittel für den Radwegebau aufgestockt, die müssten nun aber auch mal abfließen.
Und beim öffentlichen Nahverkehr?
In den Diskussionen geht es langsam ans Eingemachte. Wir haben die Varianten auf dem Tisch: Hoch- oder Niederflurstadtbahn oder Verbesserungen bei den Bussen. Ich persönlich sage: Das Niederflursystem hat das größte Potenzial. An sich ist es am einfachsten umzusetzen. Die Bahnen lassen sich städtebaulich als Niederflurvariante am besten integrieren. Sie haben keine große Störwirkung, brauchen keine Rampen, und das Gleisbett kann begrünt werden. Für Ludwigsburg haben wir damit den größten Nutzen, weil auch die Innenstadt erschlossen und die Oststadt sowie Oßweil angebunden werden.
Was ist mit der bestehenden SSB-Variante?
Die SSB-Variante ist nicht optimal. Mit Hochflurwagen würde eine umfassende Stadtbahnlösung nicht kommen, von der Ludwigsburg aber am meisten profitiert. Dann würde auch eine spätere Erweiterungsmöglichkeit mit einem Anschluss zum Beispiel in Richtung Tamm, Asperg oder Freiberg schwierig werden.
Es gibt aber auch Nachteile dieser „Ludwigsburger Lösung“.
Bei der Niederflurbahn braucht man eine gewisse Größe des Netzes, damit es mit einem eigenständigen Betriebshof wirtschaftlich wird. Dann wären aber die eben genannten Ausbauoptionen für die Zukunft offen. Nehmen Sie zum Beispiel Remseck: die Entwicklung der Fahrgastzahlen dort hat alle überrascht. Nur mit einer Bahn, nicht mit dem Bus kann man Nutzerzahlen erreichen, die auf den Straßen zu einer spürbaren Entlastung führen.
Besteht bei der Systemdebatte nicht die Gefahr, dass am Ende gar nichts passiert?
Die Gefahr besteht sicherlich. Da ist auch der Kreis nicht unschuldig, der sich schnell auf die Hochflurvariante festgelegt hat. Die Idee dahinter ist durchaus verständlich: Der Landrat möchte schnell die Stadtbahn umsetzen und sie den Leuten lieber gestern als heute bringen. Aber aus Ludwigsburger Sicht muss ich darauf bestehen, dass man sich auch mit der Niederflurvariante eingehend beschäftigt. Alle Varianten müssen gleichberechtigt geprüft werden. Und natürlich muss man in jedem Fall daran arbeiten, das Bussystem zu verbessern – ganz unabhängig von den Stadtbahnplanungen.
Beim Straßenbau hört man seit der Trassendiskussion in Eglosheim eher wenig. Braucht es dabei aber nicht ein großes Konzept?
Der Autoverkehr ist sicher wichtig, die Erreichbarkeit von Ludwigsburg ist im Grunde aber gut. Beim ÖPNV haben wir Ausbaubedarf, nicht bei der Straße. Dort haben wir ein gut funktionierendes Netz. Jetzt wurde der Nordostring wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt. Es ist nicht nachvollziehbar, wo das hinführen soll. Wenn wir noch eine vierspurige Trasse durch die letzten Erholungsgebiete ziehen, stellt sich die Frage: wo bleibt die Region lebenswert? Der Widerstand dagegen ist auch erheblich. Eigentlich wollen den Nordostring nur Remseck und Ludwigsburg, wobei es hier auch andere Stimmen gibt. Es ist nicht der richtige Weg, mit immer noch mehr Straßen die Verkehrsprobleme lösen zu wollen. Das hat man in den letzten Jahrzehnten gesehen.
Anderes Thema: aktuell verzeichnet das Forum am Schlosspark ein großes Defizit. Wie viel Kultur sollte die Stadt sich leisten?
Ludwigsburg ist im Vergleich sicher eine reiche Stadt. Wir haben daher ein sehr gutes Kulturprogramm, und das müssen wir auch erhalten. Wir haben Kulturstätten, die bespielt werden müssen. Das zeichnet Ludwigsburg auch aus: für die Wirtschaft, für Leute, die hier wohnen. Daran jetzt zu sparen, wäre sicher nicht der richtige Weg. Auf der anderen Seite ist das Angebot an der Grenze. Wir geben nicht mit vollen Händen: Wenn wir noch mehr sparen, wird Qualität verloren gehen. Aktuell haben wir einen guten Mix, ein gutes Maß der Dinge.
Um die Kunst im öffentlichen Raum gibt es dagegen immer wieder Diskussionen. Fehlt da nicht eine klare Linie?
Ja, der große Wurf fehlt da sicher. Es gibt Kräfte, die erheblich bremsen. Die Frage ist: lässt man es bleiben, wenn wir es nicht ideal hinbekommen? Aus unserer Sicht brauchen wir Kunst im öffentlichen Raum. Natürlich können wir uns nicht so viel leisten, wie zum Beispiel Großstädte wie Stuttgart oder München. Aber ich finde, dass gelegentlich Akzente gesetzt werden sollten. Natürlich müssen die Verantwortlichen dann überlegen, was das Richtige ist, und in welchem Ausmaß wir es brauchen.
Das Gleiche könnte man über die Förderung des Einzelhandels in der Stadt sagen. Dort gibt es nun seit einiger Zeit das Marstall, außerdem will das Breuningerland erweitern. Muss das Ziel nicht eher sein, die Innenstadt zu beleben?
Genau. Die Haltung der Grünen ist da klar: Auf der grünen Wiese zu bauen, ist ein Konzept aus den vergangenen Jahrzehnten. Wir lehnen daher eine Erweiterung des Breuningerlands ab. Das ist nicht zukunftsfähig. Dabei sind wir nicht allein, auch die Nachbarkommunen und der Verband Region Stuttgart sehen das so. Der Standort ist ausgereizt und wäre heute gar nicht mehr genehmigungsfähig.
Gerade die Gestaltung von Arsenal- und Schillerplatz ist auch im Gemeinderat immer wieder ein Thema. Wie gewinnen sie denn die Einzelhändler für eine Umgestaltung dieses Gebietes?
Ich glaube nicht, dass sie dagegen sind. Meine Fraktion hat mit Vertretern von Luis gesprochen. Wenn ich diese richtig verstanden habe, dann sehen sie das auch umfassender. Sie erkennen die Chancen eines guten ÖPNV und sind nicht einseitig auf das Auto festgelegt. Die gute Entwicklung der Innenstadt wird sich fortsetzen, wenn Arsenal- und Schillerplatz mehr Aufenthaltsqualität erhalten. Das hat auch der Einzelhandel erkannt.
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Werner Spec? Und wie das des OB zu ihrer Fraktion?
Der OB ist mit viel Herzblut dabei. Manchmal mit so viel, dass er über das Ziel hinaus geht. Gerade in der zweiten Hälfte des letzten Jahres war das öfter so. Es lohnt sich aber nicht, persönliche Animositäten aufzubauen. Wie in jeder guten Ehe trägt ein reinigendes Gewitter dazu bei, dass es danach umso schöner ist – in diesem Fall, gemeinsam Lösungen für eine positive Entwicklung der Stadt zu finden. Das Wichtige ist, dass man sich danach wieder auf eine gute Zusammenarbeit einigen kann, und dazu sind wir bereit.

Von Bayern nach Ludwigsburg

Biografie
– Der Grünen-Fraktionschef lebt seit 2001 in Ludwigsburg. Geboren wurde Markus Gericke 1974 in München, nach dem Abitur studierte er Geografie und Wirtschaftswissenschaften in Bayreuth, Bordeaux und Thessaloniki. Der Diplom-Geograf arbeitet als Referent im Stuttgarter Verkehrsministerium. Gericke ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Familie lebt im Stadtteil Oßweil.

 

Kommunalpolitik
– Gericke sitzt seit 2004 für die Grünen im Gemeinderat, seit Januar 2014 als Fraktionsvorsitzender – ein Amt, dass er schon zwischen 2007 und 2009 innehatte.