Jede beliebige Musik und Kinofilme aus dem Internet zu laden: In Syrien ist so etwas erlaubt, in Deutschland hingegen strikt solche und andere Regeln müssen jugendliche Flüchtlinge jetzt hier lernen.

Ludwigsburg - Was darf ich in Deutschland, und was ist verboten? Wie verhalte ich mich gegenüber Frauen? Darf ich jemanden schlagen, der mich angegriffen hat? Und weshalb muss ich im Bus vorne einsteigen, in der Bahn aber darf ich auch hinten zusteigen? Solche und ähnliche Fragen sind es, mit denen nicht nur jugendliche Flüchtlinge nach ihrer Ankunft im fremden Land konfrontiert werden. Die Veranstaltungsreihe „Check this“ des Ludwigsburger Kreisjugendamtes und der Polizei greift solche Themen auf und informiert seit Ende April unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über Ordnung und Gesetz sowie Rechte und Pflichten in ihrer neuen Heimat Deutschland.

 

Jugendliche Flüchtlinge müssen viel Neues lernen

Rund 400 junge Flüchtlinge leben derzeit im Kreis Ludwigsburg; etwa 100 zumeist junge Männer aus Syrien, Somalia und Eritrea haben bislang an dem Seminar teilgenommen. In den insgesamt drei Stunden an zwei Nachmittagen reicht das Themenspektrum von Verboten beim Herunterladen von Filmen und Musik aus dem Internet über sexuelle Gleichberechtigung und Respekt gegenüber anderen Menschen bis hin zu Religionsfreiheit und Regeln im Schwimmbad. „Wenn mehrere junge Männer in einer Gruppe beisammen sind – egal ob das nun Deutsche oder Ausländer sind –, dann können junge Frauen oder Mädchen schon auch mal Angst bekommen“, sagt Carmen Hochadel-Rostan, die Leiterin der Abteilung Vormundschaften beim Ludwigsburger Landratsamt, den Jugendlichen. Die jungen Männer sollten möglichst nicht durch auffälliges Verhalten provozieren. Genauso wichtig sei es, sich selbst nicht durch fremdenfeindliche Sprüche herausfordern zu lassen. „Wir möchten euch ernsthaft davor bewahren, dass ihr in Schwierigkeiten oder in Konflikt mit dem deutschen Gesetz kommt“, betont sie.

„Ihr habt so viele Gesetze und Regeln hier“

Der 17 Jahre alte Alsatef aus dem syrischen Aleppo etwa ist erst vor Kurzem in Schwierigkeiten geraten, berichtet er bei der Veranstaltung im Landratsamt. Mit seinem Schülerticket sei er mit dem Zug von Ludwigsburg nach Heilbronn gefahren, zuvor habe ihm ein Fahrgast auf seine Frage hin gesagt, dass das Ticket für diese Strecke auch gelte. Doch der Kontrolleur belehrte ihn eines Besseren, kopierte seinen Ausweis und brummte ihm eine Geldstrafe auf. „Ich hatte doch extra nachgefragt, woher soll ich denn wissen, was falsch und richtig ist?“, fragt sich der Jugendliche nun. Dass er in Deutschland keine Kinofilme aus dem Internet laden darf, habe er nicht gewusst; in Syrien sei das erlaubt oder werde zumindest nicht bestraft. Nun, nachdem er im Seminar gehört habe, dass es hierzulande verboten sei, werde er das Programm von seinem Handy löschen. Schließlich wolle er sich integrieren und niemandem Schwierigkeiten bereiten. Gleichwohl mache ihm die Flut ungewohnter Vorschriften manchmal Angst. „Ihr habt so viele Gesetze hier, das ist manchmal schwierig für uns“, sagt er. Gerade deshalb wünsche er sich noch mehr solcher Seminare, damit er möglichst nicht mit dem Gesetz in Konflikt gerate und alles richtig mache in seiner neuen Heimat. Damit er den Deutschen zeigen könne, dass man nicht alle Flüchtlinge in einen Topf werfen und verurteilen dürfe.

Carmen Hochadel-Rostan ist zufrieden mit dem Verlauf der bisherigen Veranstaltungen, weitere sind derzeit in Planung. Dann sollen auch noch die jungen Männer aus Afghanistan, Gambia, Palästina und Pakistan geschult und informiert werden. „Ich finde es ganz wichtig, dass man diesen jungen Menschen deutlich sagt, dass sie aufpassen müssen und dass es hier ganz viele Stolperfallen gibt, über die sie stürzen können“, sagt Hochadel-Rostan.