Der zweite Abschnitt des Heidschnuckenwegs in der Lüneburger Heide wurde zu „Deutschlands schönstem Wanderweg 2014“ gewählt.

Buchholz - Das erste „Oha!“ kommt nach einer Stunde. Bis dahin führt der Weg durch ein paar Vororte von Buchholz und durch den Wald. Nicht unangenehm - aber keine Sensation. Immerhin ist er gut ausgeschildert: Immer wenn man denkt, jetzt geht nichts mehr, taucht wieder eines jener weißen „H“ auf schwarzem Grund auf, die die ganzen 223 Kilometer des Heidschnuckenwegs zwischen Hamburg und Celle kennzeichnen. Doch jetzt führt der Pfad aus dem Dunkel heraus - und da ist sie, erstmals, die Heide. Links und rechts steigen weite Flächen in Lila, Altrosa und Violett sanft an. Die Besenheide, Calluna vulgaris, steht in voller Blüte. Dazwischen schlängelt sich ein kiesiger Weg den Hügel hoch, dem jemand einst mit dem Namen Brunsberg gewaltig schmeicheln wollte. Einzelne Kiefern erheben sich dazwischen, Flecken mit kleinen Birken.

 

Auf dem 129 Meter hohen „Gipfel“ treffen fünf Wege sternförmig zusammen. Die Kuppe liegt mitten in einem anbrandenden Ring von Lila, dahinter erstreckt sich bis zum Horizont Wald. Und aus dem Südosten grüßt ein anderer Gigant herüber: Der Wilseder Berg, höchste Erhebung in der norddeutschen Tiefebene, ist immerhin 169 Meter hoch. Eine Stunde später folgt der nächste Hügel dieser Art, der Pferdekopf. Zu seinen Füßen erstreckt sich das Büsenbachtal, ein sanftes, aber überschaubares Auf und Ab in Violett. Struppige Wacholderbüsche züngeln hervor, Birkenschösslinge drängen ans Licht - wartet nur, bis die Schnucken kommen!

Die echten Heidenflächen machen nur 20 Prozent aus

Dann führt der Weg wieder in Wald, verläuft am Ende gar parallel zur Straße, ehe Handeloh erreicht ist, der Endpunkt der zweiten Etappe nach 15 Kilometern. Das wandert sich alles ganz gelassen so weit - aber ist es wirklich der schönste Wanderweg Deutschlands, wie 2763 Leserinnen und Leser des „Wandermagazins“ gerade eben befunden haben? Spätestens an dieser Stelle wird es Zeit für einen Grundkurs in Sachen „Heide“ für Anfänger. Es ist in der Lüneburger Heide nicht etwa so, dass man irgendwo aus dem Zug steigt, 300 Meter weit spaziert und sich garantiert in einem fliederfarbenen Idyll wiederfindet, rundum eine Herde von Heidschnucken, während von fern das Waldhorn erschallt und jemand Hermann Löns zitiert. Die rund 7000 Quadratkilometer große Fläche ist ein Puzzle aus Rübenäckern, Städten, Pferdekoppeln und Wäldern, die Maisfelder dringen auch hier immer weiter vor. Selbst in ihrem Herzen, dem 234 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet, machen die echten Heideflächen nur 20 Prozent aus.

Der Heidschnuckenweg schafft es immerhin, 30 solcher „Hotspots“ von ganz unterschiedlicher Größe miteinander zu verbinden. Es ist gerade mal 13 Uhr, kein Problem also, auch die dritte offizielle Etappe in Angriff zu nehmen. Wieder geht es in den Wald - aber in was für einen diesmal! Bemooste Birkenstämme modern kreuz und quer zwischen Heidelbeersträuchern, Licht fällt in Strahlenbündeln zwischen alten Kiefern ein, und hinter jungen Ebereschen glitzern Teiche, auf denen Wasserlinsen schwimmen. Ein verwunschener kleiner Urwald dämmert im Tal der Seeve vor sich hin, so unaufgeräumt, dass sich bei seinem Anblick die Nackenhaare jedes traditionellen Forstwirts sträuben. Hinter Wesel beginnt erneut Heide, und diesmal ist es die wahre. Zur Heide gehört Weite - und die hier ist weit und wellig und violett und altrosa. Nur ganz wenige Besucher sind unterwegs. Von ganz, ganz links bis nach ganz rechts erstreckt sich der farbige Teppich. Wacholderbüsche setzen Landmarken - fährt man mit der Hand über das stachlige Grün, riecht sie nach Gin. Auf einigen begrenzten Flächen steht das Heidekraut niedriger und gleichmäßiger, fast als wäre es angepflanzt worden.

Sandige Wege schlängeln sich durch die Weseler Heide, das Land schlägt lila Wellen, die Spätnachmittagssonne lässt die Blüte purpurn aufleuchten. Es ist der beeindruckendste Abschnitt dieses Tages - die 2763 Wanderer, die die zweite Etappe zur herausragenden wählten, sind offenbar nie über diese hinausgekommen. Aber den ganzen Tag keine Heidschnucke in Sicht - immerhin sind noch sieben Herden mit fast 9000 Tieren unterwegs! Oh doch. Abends auf dem Teller im Restaurant in Undeloh badet dunkle, fettlose Schnuckenhüfte in einer sämigen Wacholderrahmsoße. Die lebenden Schnucken und ihre Schäfer aber haben Wichtigeres zu tun, als sich von Touristen stören zu lassen. Die tummeln sich da, wo die Parkplätze weit, weit weg sind.

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Infos zum Heidenschnuckenweg

Anreise
Mit dem Auto auf der A 81 Richtung Würzburg, dann A 7 Richtung Kassel-Hannover. Ab der Ausfahrt 43, bei Bispingen, beginnt die Heide.

Unterkunft
Während der Zeit der Heideblüte im September empfiehlt sich auf jeden Fall eine Vorabreservierung - viele Busse aus ganz Deutschland sind unterwegs.

Undeloher Hof: Die Heide blüht - in Gartenform - auch rund um das Drei-Sterne-Hotel. Übernachtet wird in acht verschiedenen Häusern. Frühstück in einem großen Wintergarten. Und wer mit der Kutsche in die Heide will: Direkt vom Parkplatz geht es im Linienverkehr nach Wilseder und zurück. Wilseder Str. 22, 21274 Undeloh, Tel. 0 41 89 / 457, www.undeloher-hof.de , (DZ+F ab 75 Euro).

Hotel Fuchs: Das Hotel liegt direkt am Heidschnuckenweg, am Endpunkt der zweiten Etappe. Hauptstr. 35, 21256 Handeloh, Tel. 0 41 88 / 414, www.hotel-restaurant-fuchs.de , (DZ ab 69 Euro).

Heidschnuckenweg
Er ist 223 Kilometer lang und in 14 Etappen mit 7 bis 27 Kilometer aufgeteilt. Je nach Lust und Konstitution lassen sich einige ohne weiteres zusammenfassen, www.heidschnuckenweg.de

In den Buchhandlungen der Region gibt es eine Leporello-Wanderkarte zum Weg für 6,95 Euro.

Heideblüte
Die dauert noch bis weit in den September hinein an. Der aktuelle Stand lässt sich auf der Website www.lueneburger-heide.de abrufen.

Allgemeine Informationen
Tourist-Info Undeloh, Zur Dorfeiche 27, 21274 Undeloh, Tel.: 0 41 89 / 333, www.undeloh.de