In Europas Luftfahrtindustrie tut sich was. Die Lufthansa scheint erster Nutznießer der Air-Berlin-Krise zu sein und kann die weitere Entwicklung abwarten. Die Berliner werden auch 2017 in heftige Turbulenzen fliegen.

Frankfurt/Main - So viel Bewegung war schon lange nicht mehr an Europas Himmel. Vor allem die Zerschlagung der defizitären Air Berlin wirkt wie ein Katalysator auf die Luftfahrtbranche, die sich trotz der noch gut laufenden Geschäfte eifrig neu sortiert. Treiber der Entwicklung ist nicht zuletzt der Lufthansa-Konzern mit seinem paneuropäischen Eurowings-Konzept, mit dem die Deutschen endlich den aggressiven Billigfliegern wie Ryanair, Easyjet und Norwegian entgegentreten wollen.

 

Es deutet zudem einiges darauf hin, dass die Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi sich dauerhaft von ihren verlustreichen Zukäufen Air Berlin (29,2 Prozent) und Alitalia (49 Prozent) auf dem alten Kontinent trennen könnte und dafür die Nähe der Lufthansa sucht. Die beiden Gesellschaften haben bereits die dauerhafte Vermietung von 38 Air-Berlin-Jets samt Besatzungen auf den Weg gebracht und sich in einem ersten Codeshare-Abkommen vorsichtig verbandelt. Auch wurde mit Thomas Winkelmann im besten Einvernehmen ein erfahrener Lufthansa-Manager an die Spitze der Rest-Air-Berlin gestellt.

Da könnte noch viel mehr kommen, glauben einige Beobachter und schreiben bereits über einen möglichen Einstieg der Scheichs beim Kranich-Konzern, die neben ihren Euro-Airlines noch jede Menge Kapital mitbringen müssten. Unklar sind in diesem Szenario allerdings die möglichen Vorteile für die Lufthansa. Einzelne Flugzeuge nimmt man wohl gerne, mit den maroden Strukturen der Etihad-Sorgenkinder will man in Frankfurt aber nichts zu tun haben. Die Alitalia gilt als nicht sanierbar und auch eine Komplettübernahme der Air Berlin würde nur deren Probleme in den Lufthansa-Konzern holen, heißt es in Konzernkreisen.

Billig-Konkurrenz auf dem Europamarkt

Vorerst beschäftigt sich Eurowings mit dem lang erwarteten Ausbau der eigenen Flotte, die derzeit noch bei bescheidenen 90 Maschinen liegt. Die nächsten Zugänge sind zunächst die Jets der Air Berlin und ab 2018 der nun vollständig übernommenen Tochter Brussels Airlines. Interesse soll es auch an der Sunexpress Deutschland geben, die bislang noch gemeinsam mit dem Partner Turkish betrieben wird. Man sei gut ausgelastet, lautet die Botschaft des scheidenden Eurowings-Chefs Karl Ulrich Garnadt in Richtung Etihad. Ab Mai wird dann der frühere E-Plus-Chef Thorsten Dirks die immer wichtigere Lufthansa-Tochter führen.

Die Billig-Konkurrenz auf dem Europamarkt kommt längst nicht mehr allein aus Irland, Großbritannien oder Norwegen. British Airways’ spanische Billigschwester Vueling hat sich vorgenommen, Marktführer auf den Flügen zwischen Spanien und anderen Ländern Europas zu werden. Bis 2020 soll ihre Flotte von knapp 110 auf rund 130 Maschinen wachsen. Und Air France-KLM hat ihre gut 70 Maschinen zählende Billigtochter Transavia längst auch in Deutschland an den Start gebracht. Am Flughafen München liefern sich Transavia und Eurowings einen Kampf, der zu attraktiven Ticketpreisen führen kann.

Global befindet sich die Luftfahrtbranche in einer historisch guten Lage. Nach dem Spitzenjahr 2015 sollen die Airlines 2016 mit fast 36 Milliarden US-Dollar Gewinn einen weiteren Rekord aufstellen, schätzt der Welt-Branchenverband IATA. Zwar dürfte das billige Kerosin, das den Bilanzen der Gesellschaften zuletzt Rückenwind beschert hatte, bald wieder teurer werden. Doch 2017 werde mit knapp 30 Milliarden Dollar Gewinn wohl das dritte gute Jahr in Folge, sagt der neue IATA-Chef Alexandre de Juniac voraus.

Zahlreiche Insolvenzen und Fusionen in Nordamerika

Während Fluglinien aus Nordamerika nach zahlreichen Insolvenzen und Fusionen derzeit über die Hälfte des weltweiten Branchengewinns einfliegen, sieht es bei vielen Airlines in Europa schwierig aus. Von 7,5 auf 5,6 Milliarden Dollar sollen ihre Profite 2017 schrumpfen. Schon 2016 hat der harte Wettbewerb auf den Flügen ans Mittelmeer nach der Türkei-Krise tiefe Spuren in den Bilanzen mancher Fluglinie hinterlassen. Der gewinnverwöhnte deutsche Ferienflieger Condor rutschte im abgelaufenen Geschäftsjahr in die roten Zahlen, Air Berlin flog sogar in den reisestarken Sommermonaten Verlust ein.

Während die Lufthansa ihre Flughöhe zumindest im laufenden Jahr halten kann, zwingt die harte Konkurrenz die hoch verschuldete und seit Jahren defizitäre Air Berlin immer mehr in die Knie. Neben dem Eurowings-Leihgeschäft hat sie ihr einstiges Touristikgeschäft gemeinsam mit Etihad und Tuifly in eine österreichische Holding verlagert. Eine der wichtigsten Fragen des kommenden Jahres wird sein, wie sich die Rumpf-Air-Berlin mit ihren 75 Jets als Langstrecken-Netzwerk mit hohem Qualitätsanspruch halten kann.