Elektromobilität ist nicht nur am Boden, sondern auch im Luftverkehr ein Thema. Aber funktionieren elektrische oder hybride Antriebe auch bei größeren Flugzeugen? In Stuttgart trafen sich gut 100 Wissenschaftler und Ingenieure, um beim E2-Symposium über neue Lösungen zu diskutieren.

Stuttgart - Seit langem fordern Klimaforscher von der Luftfahrt Konzepte, wie der Verkehr künftig mit weniger oder vielleicht sogar ganz ohne Kerosin auskommen könnte. Doch ein Transportmittel, das sein Gewicht in die Luft bringen muss, braucht deutlich mehr Energie als eines, das am Boden in Bewegung gesetzt werden muss. Elektromobilität in der Luft kämpft deshalb mit Beschränkungen.

 

Dennoch gibt es inzwischen etliche Prototypen von elektrisch oder hybrid angetriebenen Kleinflugzeugen. Eines davon ist das DLR-Flugzeug Hy4, das im Sommer seinen Jungfernflug absolvieren soll. Das Flugzeug hat zwei parallel angeordnete Segelflugzeugrümpfe und deshalb Ähnlichkeit mit einem Katamaran – es bietet Platz für vier Personen und ist als erster Schritt Richtung Passagierflugzeug konzipiert.

Der slowenische Leichtflugzeugbauer Pipistrel will seinen vor zwei Jahren vorgestellten Viersitzer Panthera ebenfalls bald in einer rein elektrisch betriebenen sowie einer hybrid angetriebenen Version anbieten. Die hybrid angetriebene Panthera soll eine Reichweite von 1000 nautischen Meilen haben. Das Magazin Politico zählt Firmengründer Ivo Boscarol zu den 28 visionärsten Personen Europas. Allerdings schläft die weltweite Konkurrenz nicht. Unter anderem haben die US-Raumfahrtbehörde Nasa und die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa Entwürfe für „saubere“ Flugzeuge vorgestellt.

Verkehrsflugzeuge ohne Schadstoffe bleiben ein Fernziel

Doch mit den ersten Erfolgen hat sich offenbar auch die Euphorie gelegt. Wenn es darum geht, die Lösungen von Leichtflugzeugen auf größere Flugzeuge zu übertragen, dann macht sich eine gewisse Ernüchterung breit. Großflugzeuge mit elektrischen oder hybriden Antrieben bleiben weiter ein Fernziel, bilanziert Rolf Henke, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Vorstand für Luftfahrt zuständig ist, jetzt auf dem Symposium für elektrisches und emissionsfreies Fliegen in Stuttgart. Einer der Gründe dafür ist, dass Batterien, was ihre Leistung betrifft, von der Physik Grenzen gesetzt sind. Experten halten 300 Wattstunden pro Kilogramm für das äußerste des Machbaren. Um ein Verkehrsflugzeug in die Luft zu bringen, sagt Peter Rostek von Airbus, bräuchte man aber eine Leistung von 500 bis 700 Wattstunden pro Kilogramm.

Verhaltene Skepsis bestimmte denn auch den Vortrag von Peter Rostek. Airbus testet inzwischen an zwei Prüfständen in Ottobrunn bei München sowie in Toulouse einzelne Komponenten für elektrisch oder hybrid angetriebene Flugzeuge. Dabei hat sich aber gezeigt: „Das klassische Design wird mit diesen Antrieben nicht mehr funktionieren“, sagt Rostek. „Wir brauchen einen radikal neuen Denkansatz, einen echten Paradigmenwechsel.“

Er würde sich mehr Studien wünschen, die von den bisher gefundenen Lösungen weggehen und neue Ansätze für größere Flugzeuge zu finden versuchen. Es bereitet ihm Sorgen, dass sich die meisten Kollegen aber eher mit der Verbesserung kleiner Flugzeuge beschäftigten.

Andreas Strohmayer, der das Institut für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart leitet, hat dafür auch eine Erklärung. Den Konstrukteur würde es durchaus reizen, ein Flugzeug zu bauen, das bis zu 40 Passagieren Platz bietet und einige hundert Kilometer Reichweite emissionsfrei bewältigt. Ein solches Projekt, sagt Strohmayer, lasse sich allerdings an seinem Institut ohne Partner aus der Industrie nicht stemmen. Bei einem Flugzeug mit 19 Sitzplätzen wäre ein Budget von etwa 50 Millionen Euro notwendig, schätzt sein Mitarbeiter Len Schumann – bei 40 Sitzplätzen entsprechend doppelt so viel. Ein solches Projekt würde zehn Jahre oder länger dauern, aber noch längst nicht in ein marktreifes Konzept münden. Dass keiner allein ein solches Flugzeug entwickeln kann, weiß auch Peter Rostek. Dafür müssten sich mehrere große Unternehmen zusammentun, sagt er, und richtig investieren. Ein guter Anfang ist aus seiner Sicht die europäische Kooperation Clean Sky 2, die 2014 in Kraft trat und sich die weitere Reduzierung der Emissionen vorgenommen hat.

Auch die Batterieleistung des Ce-liners ist noch eine Vision

Ein Konzept, das Rosteks Forderungen entspricht, hat der Thinktank „Bauhaus Luftfahrt“ bereits vor drei Jahren vorgestellt: den sogenannten Ce-Liner. Zwar gilt auch hier, dass die Batterien, mit denen das Konzept gerechnet wurde, erst noch entwickelt werden müssten. Das rein elektrisch angetriebene Flugzeug verfügt über einen gekrümmten Flügel in Form des Buchstabens C. Am Heck sorgen zwei elektrische Triebwerke für den nötigen Schub und schlucken gleichzeitig Wirbel. Der Ce-Liner könnte innereuropäische Strecken wie Berlin-Barcelona (1600 Kilometer) bedienen und 190 Passagiere transportieren. Dieses Flugzeug wäre deutlich schwerer als eines mit herkömmlichem Antrieb. Wirtschaftlich erfolgreich könnte es nur sein, wenn die saubere Technik steuerlich begünstigt werden würde – was die EU in der Zukunftsvision „Flight Path“ auch anpeilt.

Aus Sicht von Frank Anton, der bei Siemens die Entwicklung elektrischer Antriebe betreut, ist der Ce-Liner jedenfalls ein großer Wurf. Und er ist Anton zufolge zugleich ein Beispiel dafür, dass die Elektromobilität in der Luft eine „Riesenchance für die deutsche Wirtschaft“ bietet: „Im Augenblick haben wir in Deutschland die Nase vorn.“ Nun sei es an der Politik, die Weichen dafür zu stellen, dass die Wirtschaft diese Chance auch nutzen könne. „Da brauchen wir die Bereitschaft, große Investitionen zu stemmen.“ Aus einem Gespräch mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann während des Symposiums hat Frank Anton den Eindruck gewonnen, dass diese Chance erkannt wurde. Auch deshalb ist Anton zuversichtlicher als Peter Rostek: „Ich glaube, dass diese Technologie schneller kommen wird, als wir denken.“

Auch Josef Kallo, Koordinator in der Gruppe Energiesystemintegration am DLR-Institut für Technische Thermodynamik und Leiter des Instituts für Energiewandlung und -speicherung an der Universität Ulm, teilt die Zuversicht. Seine Zukunftsvision sieht allerdings anders aus als die von Bauhaus Luftfahrt. Kleine Flugzeuge mit elektrischen Antrieben könnten dabei helfen, Reisenden das zu ermöglichen, was sich die EU als Ziel gesetzt hat – nämlich jedes Ziel innerhalb von Europa in vier Stunden zu erreichen. „Ersten Berechnungen zufolge können elektrische Antriebe aufgrund ihrer höheren Effizienz als Baustein für diesen Anwendungsfall durchaus konkurrenzfähig sein – wenn man die Entwicklungskosten separat betrachtet.“