Die Stadt will kurzfristige Verkehrsbeschränkungen nicht haben. OB Fritz Kuhn hatte zuvor vergeblich im Technikausschuss für derartige Lösungen geworben.

Stuttgart - Vor der entscheidenden Abstimmung am Donnerstag im Gemeinderat zeichnet sich eine klare Ablehnung von kurzfristigen Fahrverboten zur Luftreinhaltung in Stuttgart ab. CDU, SPD, Freie Wähler, AfD, FDP und der Stadtist votierten am Dienstag im Umweltausschuss gegen die im Entwurf des Luftreinhalteplans des Landes vorgesehenen temporären und streckenbezogenen Verbote ab 2018 für Dieselautos, die nicht der Schadstoffnorm Euro 6 entsprechen.

 

CDU und SPD halten solche Verbote für nicht zweckmäßig zur Reduzierung der Stickstoffdioxidbelastung im Talkessel sowie am Schadstoffbrennpunkt Neckartor und befürchten Verkehrsverlagerungen in andere Stadtgebiete. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus wiederum lehnt sie als unzureichend ab. Nur die Grünen sind bereit, an Tagen mit überhöhten Schadstoffwerten Straßenabschnitte für die entsprechenden Fahrzeuge zu sperren.

OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte vergeblich geworben. Städte wie München, Hamburg oder Düsseldorf würden ähnliche Verkehrsbeschränkungen planen. Verbote seien „kein Vergnügen für pulsierende Großstädte“, aber zum Schutz der Gesundheit der Bürger notwendig. Die Landesregierung sehe sich in der Pflicht, weil die Schadstoffgrenzwerte immer noch überschritten würden, „und ich teile diese Haltung“, sagte Kuhn. Wer sich wie die CDU auf vage Pläne für einen Ostheimer Tunnel und eine Filderauffahrt verlege, die vielleicht nie realisiert würden, leiste keinen Beitrag zur Verbesserung der Luft im kommenden Jahr.

Harsch kritisierte Kuhn Stimmen aus der Wirtschaft, die sich gegen Fahrverbote ausgesprochen hatten. „Beim Diesel hat nicht der Gemeinderat, das Land oder der OB manipuliert, sondern zum Beispiel VW“, verwies Kuhn auf die Verantwortung der Automobilindustrie. Er fügte hinzu: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Der OB muss nun die Meinung der Ratsmehrheit gegenüber der Landesregierung vertreten.

Warten auf Urteil des Bundesverwaltungsgericht

Mehrheitsfähig wäre im Gemeinderat allein eine allgemeine, stadtweite Regelung für Dieselfahrverbote etwa ab 2020, falls der Bund die Blaue Plakette einführt und mindestens 80 Prozent des Fahrzeugbestands die Euro-6-Norm erfüllen. Auch von der Blauen Plakette abhängig wären stadtweite Fahrverbote ab 2018 für Diesel unterhalb von Euro 6 an Tagen mit Schadstoffalarm. Sie sind eine Variante in dem Entwurf, wurden aber abgelehnt – genau wie eine Variante, die laut Kuhn in der jetzigen Lage die beste wäre, weil sie am wenigsten Verkehrsschilder erfordern würde: Fahrverbote für Diesel bis Euro 5 an kritischen Tagen auf sogenannten Luftreinhaltestrecken im Talkessel – was weitgehenden Einfahrverboten gleichkäme. Das Schicksal solcher Überlegungen in diversen Städten hängt nach Kuhns Urteil am Bundesverwaltungsgericht, das sich mit Düsseldorf befassen muss.

Die letzte Alternative, die von der Ratsmehrheit verworfen wurde, ist nach Kuhns Worten bereits „herrschendes Recht“, weil die Landesregierung darüber mit Klägern vom Neckartor einen Gerichtsvergleich eingegangen ist: die Reduzierung des Autoverkehrs um 20 Prozent in diesem Bereich ab 2018 an Tagen mit Feinstaubalarm. Aber auch das stimmte den Ausschuss nicht um. Er setzte am Ende mit neun gegen sieben Stimmen bei zwei Enthaltungen (FDP und AfD) durch, dass das von der Stadt empfohlene Paket keine Fahrverbote enthält. Dagegen stimmten wiederum die Grünen – diesmal zusammen mit SÖS/Linke-plus.

Marti Körner (SPD) kritisiert die Grünen

Diese kritisierte, die Mehrheit setze sich lieber für die Interessen der Autoindustrie ein als für Gesundheitsschutz und begehe Rechtsbruch. Man setze darauf, dass die Gerichte das Nötige erzwingen: flächendeckende Fahrverbote in der Stadt für alle schadstoffträchtigen Diesel. Die Grünen beklagten eine „Verhöhnung“ der von den Luftschadstoffen bedrohten Anwohner und eine „Bankrotterklärung der Politik“, weil es 2018 keine Verkehrsbeschränkung gebe.

Die CDU konterte den Vorwurf, dass sie keine kurzfristig wirkenden Maßnahmen wolle, mit dem Hinweis auf ihre Anträge zur kontinuierlichen Nassreinigung von Straßen und für ein Förderprogramm zur Erneuerung von Heizungsanlagen. Die SPD warf ein, nachhaltige Maßnahmen seien kurzfristig nicht zu schaffen. Über flächendeckende Fahrverbote, die nicht Verkehrsverlagerungen mit sich bringen würden, „hätte man mit uns reden können“.

Als Martin Körner (SPD) den Grünen vorhielt, sie würden das taktische Interesse der Landesregierung über das Wohl der Stadt stellen, griff der OB ein: Körner könne nicht eigenmächtig definieren, was im Interesse der Stadt liege und was nicht.