Die Ablehnung des Luftreinhalteplans ist eine schwere Pleite für die Grünen. Doch konstruktive Gegenvorschläge fehlen bisher, konstatiert Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Für Ergebnisse wie jenes, das Fritz Kuhn bei der Abstimmung über den Luftreinhalteplan eingefahren hat, hat man in der Welt des Fußballs den Begriff „krachende Niederlage“ erfunden. Am Ende stand es 1:7 gegen den Oberbürgermeister. Einzig seine ihm in Treue ergebenen Grünen blieben an Kuhns Seite, als es darum ging, die von der Landesregierung ersonnenen partiellen Fahrverbote für Diesel unter Euronorm 6 zu verteidigen. Von der AfD bis zu den Linken votierten alle anderen gegen den von Kuhn mitgetragenen Plan der Landesregierung. Sie handelten zwar aus vollkommen unterschiedlichen Motiven heraus, in der Summe aber entfalteten sie eine ungeheure Wucht.

 

1:7 – wer so eine Schlappe kassiert, sollte darüber nachdenken, was er falsch gemacht hat. Im Fall der Fahrverbote ist es Kuhn nicht gelungen, die Stadträte von einem Plan zu überzeugen, der erhebliche Schwächen aufweist. Nur ein Beispiel: Dass lediglich Teilabschnitte bestimmter Einfallstraßen gesperrt werden sollten, in der City theoretisch aber sogar Euro-4-Diesel hätten fahren dürfen, ist mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar. Und dass solche Regelungen nur mit einem irrsinnigen Aufwand hätten kontrolliert werden können, tut sein Übriges dazu. Das sind Kopfgeburten, die ihren Ursprung in einem aberwitzigen juristischen Hickhack haben, aber keinen Bezug zur Praxis.

Der Hauptverlierer heißt Winfried Hermann

Darüber muss nun vor allem Landesverkehrsminister Winfried Hermann sinnieren. Denn die Abstimmung im Gemeinderat ist, um in der Sprache des Sports zu bleiben, lediglich ein Testspiel gewesen. Die Entscheidung über den Luftreinhalteplan – und damit auch über die bisher geplanten Fahrverbote – trifft einzig und allein das Land, nicht die Stadt. Deren Votum hat allenfalls beratenden Charakter. Doch auch den Verkehrsminister kann die klare Ablehnung der Stadt, die betroffen ist, nicht kalt lassen. Der bisherige Plan ist vor allem sein Werk. Und nur mit Mühe hatte der Grüne Hermann im Verbund mit seinem Ministerpräsidenten den Koalitionspartner im Land auf Linie gebracht. Ob die CDU den in Stuttgart durchgefallenen Plan weiterhin mitträgt, darf bezweifelt werden.

Doch alle, die nun frohlocken ob der Niederlage, die sie den Grünen beigebracht haben, sollten bereits darüber nachgedacht haben, wie es jetzt weitergeht. Sie haben eine schlechte Lösung zur Verbesserung des Stadtklimas in der Luft zerrissen. Jetzt müssen sie, im Gleichschritt mit den Verantwortlichen in Land und Bund, zeigen, dass sie nicht nur blockieren, sondern auch gestalten können. Sonst werden sie demnächst vermutlich einige heftige Konter einfangen: von Gerichten, die in den bisher gelaufenen Verfahren deutlich gemacht haben, dass sie den im Grundgesetz festgeschriebenen Gesundheitsschutz des Menschen höher bewerten als die Idee von der freien Fahrt für freie Bürger.