CDU, FDP und Freie Wähler wollen den Begriff „Feinstaubalarm“ abschaffen. Unter anderem wegen dieses Begriffes kämen weniger Touristen in die Landeshauptstadt. Die Statistiken belegen aber das Gegenteil.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - CDU, FDP und Freie Wähler wollen den Begriff „Feinstaubalarm“ abschaffen. In einem entsprechenden Antrag monieren die bürgerlichen Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat, dass der Begriff „Alarm“ im allgemeinen Sprachgebrauch „eine kurzfristige, akute und höchst gefährliche Ausnahmesituation“ signalisiere. Das habe „aber zum Glück sehr wenig mit der unbefriedigenden Luftqualität in Stuttgart zu tun“. Die Vokabel „Alarm“ habe „eine zu starke Signalwirkung“ und „überhöht die tatsächliche Gefahrenlage“. Stattdessen solle das Problem lieber als „Austauscharme Wetterlage“, „Feinstaubtag“ oder „Feinstaubsignal“ tituliert werden.

 

Hier gibt es den Faktencheck zum Feinstaubalarm.

Während im Rathaus die Stadträte im Umwelt- und Technikausschuss am Dienstagvormittag über das Wirkungsgutachten des Landes zu den Luftschadstoffen debattierte, legten CDU, FDP und Freie Wähler in ihrem gleichzeitig veröffentlichten Antrag zwar Wert darauf, „dass wir als Vertreter im Stuttgarter Gemeinderat das Problem der zu hohen Luftschadstoffbelastungen, vor allem durch Feinstaub und Stickstoffdioxid, nicht kleinreden oder gar unter den Teppich kehren“. Es gebe „gesetzliche Grenzwerte für die Schadstoffmenge in der Stuttgarter Luft, und wir müssen gemeinsam große Anstrengungen unternehmen um diese nachhaltig einzuhalten und die Qualität der Luft in Stuttgart ganzjährig zu verbessern“. Daher sei die Union davon überzeugt, dass Wettervorhersagen auch weiterhin notwendig seien, „um daraus abgeleitet besondere Maßnahmen für diese Tage veranlassen zu können“. Die Bezeichnung „Feinstaubalarm“ sei dazu aber nicht nötig: „Durch diese provokante Bezeichnung wird das Instrument der Vorhersage weder besser noch schlechter“, meinen die drei Fraktionen.

Belehrung für Oberbürgermeister Kuhn

CDU, FDP und Freie Wähler nutzten ihren Antrag auch zu einer Belehrung für Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Wenn der Rathauschef auf Kritik stets mit dem Satz reagiere, dass nicht der Feinstaubalarm das Problem sei, sondern der Feinstaub, so sei „das nicht ganz richtig“. Richtiger sei aus Sicht der CDU: „Der Feinstaub ist ein Problem und der Begriff des Feinstaubalarms schafft ein weiteres Problem, das nicht nötig ist.“

Aus „allen gesellschaftlichen Bereichen“ hörten die Vertreter der bürgerlichen Parteien „heftige und vor allem begründete Kritik“. Speziell auf die Tourismus-Branche, die Wirtschaft, die Hochschulen, den Sport und auf viele Familien habe der Begriff „Feinstaubalarm“ negative Auswirkungen: „In der Bevölkerung in anderen Teilen Deutschlands und darüber hinaus löst der Begriff eine abstoßende Reaktion in Bezug auf unsere Stadt aus. Viele Menschen nehmen Abstand von einer Reise nach Stuttgart, einer Verlagerung des persönlichen Arbeitsplatzes mit Nachzug der Familie zu uns oder sie entscheiden sich gegen ein Studium an unseren Universitäten.“

Es gibt keinerlei Beweis für die Annahmen von CDU, FDP und Freien Wählern

Beweise für diese Thesen bleiben CDU, FDP und Freie Wähler allerdings schuldig. Bisher existieren keine belastbaren Belege dafür, dass weniger Touristen nach Stuttgart kämen, weil in der baden-württembergischen Landeshauptstadt wegen der hohen Luftbelastung bisweilen Feinstaubalarm ausgerufen werden muss. Just einen Tag vor dem Antrag der bürgerlichen Gemeinderatsfraktionen hatte Tourismusminister Guido Wolf (CDU) die aktuellen Übernachtungszahlen bekannt gegeben. Demnach kenne die Bilanz seit Jahren nur einen Trend: nach oben. 2016 hatten die Hotels in Stuttgart 3,706 Millionen Übernachtungen gezählt. Das waren fast 600 000 mehr als noch 2012.

Auch die Zahl der Studenten an der Universität Stuttgart ist in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gestiegen. 27 792 Personen waren nach Angaben der Uni im Wintersemester 2015/2016 an der Uni Stuttgart eingeschrieben. Von 2011 auf 2012 zählte die Hochschule noch 22 632 Studenten. Und auch im Blick auf die Beschäftigungszahlen weist die Statistik der Landeshauptstadt das Gegenteil dessen aus, was CDU, FDP und Freie Wähler zu spüren glauben. Im Herbst 2015 waren in Stuttgart 395 077 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren nach Angaben der Stadt rund zehntausend mehr als zu Spitzenzeiten wie Mitte der 1970er oder Anfang der 1990er Jahre.