Fritz Kuhn hält gar nichts von den Plänen für neue Straßen, mit denen die CDU die Luftqualität verbessern möchte. Der OB will die Tunnelpläne aber „vorurteilsfrei“ untersuchen lassen.

Stuttgart - Bei der Verbesserung der noch deutlich zu schadstoffhaltigen Stuttgarter Luft wollen Verwaltung und Stadträte an einem Strang ziehen. Das haben am Dienstag OB Fritz Kuhn (Grüne) und das Gros der Fraktionen beteuert. Kuhn sagte der CDU die „faire und saubere Prüfung“ ihrer Straßentunnel-Forderungen zu. Im Umwelt- und Technik-Ausschuss fügte er aber hinzu, man werde auch prüfen, ob durch die Tunnel Staus beseitigt oder neuer Verkehr produziert würde.

 

Er halte die Tunnelstrategie für falsch, sagte Kuhn. Die von der CDU wieder ausgegrabenen Pläne für einen Nordostring und eine neue Filderauffahrt sowie ein Ostheimer Tunnel würden frühestens in 20 Jahren helfen – wenn überhaupt. Demgegenüber sagte Alexander Kotz (CDU), es seien keine Projekte aus der Mottenkiste – wenngleich die Realisierung vielleicht versäumt worden sei, als die CDU früher gleichzeitig in Berlin und Stuttgart mitregierte. Damals sei der Leidensdruck eben kleiner gewesen.

Die CDU hatte die Generaldebatte zu Luftreinhaltung und Verkehrsverboten in den Sommerferien gefordert – und dem OB „Konzeptionslosigkeit“ vorgeworfen. Der hielt offensiv dagegen und redete allein schon knapp eine Stunde. Er verwies auf „große Fortschritte“, etwa auf die „gigantische Erfolgsstory“ steigender Fahrtgastzahlen beim VVS. Der Feinstaubalarm, der am 15. Oktober in die zweite Saison gehen und bei absehbar überhöhten Werten die Kfz-Zahlen und das Heizen reduzieren soll, sei erfolgreich. Damit könne man die Grenzwerte in absehbarer Zeit vielleicht das Jahr über einhalten. Am liebsten wolle er das auch künftig ohne Verbote betreiben.

Diesmal gebe es Verbesserungen: An Alarmtagen dürfen Erwachsene mit Feinstaub-Einzeltickets Busse und Bahnen zum halben Preis, zum Kinderfahrpreis, benützen. Vom 17. Oktober an gebe es werktags von 6 bis 20 Uhr Stadtbahnverkehr im Zehn-Minuten-Takt auf der neuen Linie U 19 zwischen Neugereut und Cannstatter Wasen. Auf der U 13 zwischen Giebel und Hedelfingen fahre man abends in der Hauptverkehrszeit im 7,5-Minuten-Takt. In S-Bahnen solle es ein größeres Platzangebot geben. Mittel- und langfristig arbeite man an weiterer Entlastung. Wichtiger als längere S-Bahn-Strecken seien dichtere Takte. „Langfristig“ müsse man als weitere Geldquelle für den Ausbau eine Nahverkehrsabgabe von Autofahrern diskutieren. Das dürfe das Land allein umsetzen.

Klar ist: Anfang 2018 drohen beim Feinstaubalarm Verbote für Autofahrten und Komfortheizungen, wenn es anders nicht geht. Wie es rechtlich darum bestellt ist und wie die Regelung aussehen würde, wisse er noch nicht, sagte Kuhn – obwohl Kotz und Jürgen Zeeb von den Freien Wählern Klarheit forderten: Transparenz würde die Bereitschaft zum Umsteigen ankurbeln.

Martin Körner nennt Feinstaubalarm „Rohrkrepierer“

Christoph Ozasek (Die Linke) forderte, der OB müsse die Nahverkehrsabgabe beim Land aktiv einfordern. Kuhn stehe, was die ordnungspolitische Regelung der Luftreinhaltung angehe, „mit leeren Händen da“. Wenn er sage, man tue alles, um Grenzwerte einzuhalten, sei das irreführend. Martin Körner (SPD) nannte den Feinstaubalarm „Rohrkrepierer“ und lehnte stellenweise Verkehrsbeschränkungen am Neckartor ab. Neben dem Jobticket müsse das Sozialticket forciert, am besten auf die Region ausgedehnt werden. Das Land solle finanziell helfen, damit ganz Stuttgart für VVS-Kunden eine Tarifstufe werde. Kuhn vermisste bei Körner aber Ideen, was er kurzfristig mitmachen will, um Grenzwerte einzuhalten.

Kotz ermutigte Kuhn, beim Bund weiter auf die blaue Umweltplakette zu drängen. Sonst wäre die Umsetzung von Fahrverboten – befristet zur Feinstaubreduzierung, oder dauerhaft gegen Stickoxide – kaum denkbar. An Tagen mit Feinstaubalarm müsse man vielleicht die Ampel am Neckartor abschalten und die Heilmannstraße abhängen. Kuhn will das prüfen lassen. Bei der Luftreinhaltung müsse man sich verstärkt um die Hintergrundbelastung kümmern, etwa Umstellungen von bisherigen Ölheizungen fördern, sagte Kotz. Kuhn nannte solch ein Sonderprogramm „hilfreich“.

Andreas Winter (Grüne) plädierte für mehr Angebote zum Umsteigen und Bevorrechtigung von Bussen und Bahnen. Eberhard Brett (AfD) lehnt polizeiliche Mittel zur Durchsetzung von Verboten und Luftreinhaltung ab. Michael Conz (FDP) wünscht mehr Wohnungsbau in Stuttgart, um Pendlerverkehr vorzubeugen. Ralph Schertlen (Stadtisten) setzt mittelfristig auf automatisiertes Auto- und Bahnfahren.