Gut ein Jahr lang wurden in Stuttgart an einer Wand bei der Messstelle Neckartor Moosarten auf ihre Tauglichkeit hin, Feinstaub zu binden, getestet. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Stuttgart - Können Moose so viel Feinstaub aus der Luft binden und verarbeiten, dass es zu einer merkbaren Reduzierung des Schadstoffs kommt? Diese Frage wollten Stadt und Land mit einer wissenschaftlichen Untersuchung beantwortet wissen. Von März 2017 bis April 2018 wurden auf einer 100 Meter langen und drei Meter hohen Wand an der Cannstatter Straße bei der Messstelle Neckartor Moosarten auf ihre Tauglichkeit hin getestet. Die Ergebnisse der 560 000 Euro teuren Untersuchung sind am Dienstag im Technikausschuss des Gemeinderates präsentiert worden. Sie sind eher ernüchternd.Die Moose hatten an der Wand direkt an der Straße, ganz unwissenschaftlich formuliert, ums Überleben zu kämpfen. Zu sonnig war es und daher, trotz Optimierungen an der Bewässerungsanlage, oft zu trocken, außerdem mögen Moose kein Salz. Unter diesen Bedingungen sei es „sehr schwierig, Moose vital zu halten“, sagte Sonja Thielen, Projektverantwortliche beim Naturkundemuseum. Die Zahl der Pflanzen pro Quadratzentimeter nahm ab, Moosmatten mussten ersetzt werden.

 

Kleinste Partikel werden gebunden

Drei Arten, das Zypressenschlafmoos, das Graue Zackenmützen- und das Purpurrote Hornzahnmoos konnten kleinste Partikel gut aufnehmen, das zeigte sich unter dem Elektronenmikroskop. Eine Abnahme der Luftschadstoffbelastung an dem Feinstaub-Brennpunkt kann ihnen aber nicht direkt zugeschrieben werden. Die „leichte Wirkung“ liege „in der Größenordnung der Abweichungen durch Messunsicherheiten“, so Ulrich Vogt, Leiter der Abteilung Luftreinhaltung am Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Uni Stuttgart. Man wisse nicht, welche zusätzlichen Einflüsse zur Feinstaub-Belastung beigetragen haben. Auf die Stickoxid-Belastung haben Moose keinerlei Wirkung.

CDU: Versuch war notwendig

Klar sei nun, dass Moose nicht nur im Labor, sondern auch unter urbanen Bedingungen Feinstaub aufnähmen, so Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) in der Sitzung. Quantitative Effekte ließen sich aber nicht eindeutig belegen. Pätzold und mehrere Fraktionssprecher verteidigten den Versuch. Die Herausforderung sei angesichts der Grenzwertüberschreitungen beim Feinstaub so groß, „dass man auch Versuche machen muss“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Wichtig bleibe, die Ursache des Feinstaubs zu minimieren, so Gabriele Munk (Grüne). Dazu soll es Filter für Benziner mit Direkteinspritzung geben, die viele Partikel ausstoßen. Laut Medienberichten haben deutsche Autohersteller versucht, deren Einbau hinauszuzögern. Die Möglichkeiten der Mooswand seien von OB Fritz Kuhn (Grüne) „überhöht dargestellt“ worden, kritisierte Luigi Pantisano (SÖS/Linke-plus). Von dieser Vorfestlegung sei man „nicht mehr weggekommen“.