Einer Studie zufolge wird die Belastung der Luft mit Schadstoffen in vielen Regionen der Welt dramatisch zunehmen.

Stuttgart - Wer in Peking oder Manila auf die Straße geht, sollte am besten eine Atemschutzmaske mitnehmen: In diesen Städten ist die Luft ganz besonders stark mit den Schadstoffen Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und Ozon sowie mit Stickoxiden und Feinstaubpartikeln belastet. Die Luftverschmutzung wird in Zukunft allerdings noch wesentlich schlimmer werden. Im Jahr 2050 wird die Luft weltweit so schlecht sein, wie sie es heute in den asiatischen Ballungsgebieten bereits ist. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie gemeinsam mit dem Institut für Physik der Atmosphäre der Uni Mainz und dem Joint Research Center der Europäischen Kommission durchgeführt hat.

 

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Luftverschmutzung überall auf der Welt erhöht. Vielmehr haben die Wissenschaftler um den Italiener Andrea Pozzer einen Durchschnittswert errechnet. Würde man in der Mitte des Jahrhunderts messen, wie viele Schadstoffe alle Bewohner dieser Erde zusammengenommen einatmen, und diesen Wert durch die Zahl der Menschen teilen, käme man auf dieselbe Menge an problematischen Stoffen pro Person, die die Bewohner der asiatischen Megastädte schon heute einatmen.

Das wird sich jedoch regional sehr unterschiedlich verteilen. Im Gegensatz zu den Treibhausgasen bleiben die Luftschadstoffe dort, wo sie entstehen. „Der Zuwachs findet hauptsächlich in den Städten statt, weniger auf dem Land“, sagt Andrea Pozzer. „Die Verschmutzung wird in vielen industrialisierten Ballungsgebieten so stark sein, dass sie auch ins Umland ausstrahlt, aber nicht bis weit ins Landesinnere.“

Bessere Luft in Europa und den USA

In Europa und in den USA werde sich dank der heute schon strengen Umweltauflagen nicht viel verändern. Verblüffenderweise wird die Verschmutzung Pozzer zufolge auch in Südamerika und Afrika nicht dramatisch ansteigen. Umso stärker werde der Anstieg jedoch in drei Weltregionen ausfallen, die er in diesem Zusammenhang als Hotspots bezeichnet: in Indien, Ostasien und dem mittleren Osten. Da in diesen Regionen auch mit einem starken Bevölkerungszuwachs zu rechnen ist, wird der durchschnittliche Erdenbürger in knapp vierzig Jahren weit mehr Schadstoffe als heute einatmen. Das schrumpfende und alternde Europa indes wird sich nach wie vor über die höchsten Umweltstandards und die sauberste Luft freuen dürfen.

Jedoch betont der Wissenschaftler auch, dass es nicht so kommen muss. „Die Studie zeigt, was passieren könnte, wenn wir die bisherige Entwicklung weiterlaufen lassen, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“ Und diese sind durchaus möglich. Da Luftschadstoffe lokal entstehen und relativ schnell abgebaut werden, können sich Umweltschutzmaßnahmen bereits kurzfristig sehr positiv auswirken. So war die Luftverschmutzung im Europa der siebziger Jahre viel schlimmer als heute. Durch entsprechende Auflagen sind die hauptsächlich von der Industrie erzeugten Schadstoffe Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid seitdem um 90 Prozent verringert worden. Daher hofft auch Andrea Pozzer, dass die Zukunft anders aussehen wird als in seiner Studie. „Die Auflagen in Deutschland funktionieren sehr gut und sollten in die ganze Welt exportiert werden.“

Allerdings haben andere Länder derzeit noch ganz andere Sorgen. Martin Schultz, der die Forschungsgruppe „Global Modelling“ am Forschungszentrum Jülich leitet, stimmt den Ergebnissen seines Kollegen im Wesentlichen zu. Er gibt aber zu bedenken, dass das deutsche Vorbild für Schwellenländer nur bedingt taugt: „Es ist eine wahnsinnige Herausforderung, in den armen Ländern saubere Technologien einzuführen, ohne das Wachstum zu stark zu bremsen. Wenn eine billige Technologie verfügbar ist, wird die dort ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt.“

„Mehr öffentlicher Verkehr“

Zudem brauche es in diesen Ländern auch ganz andere Maßnahmen. In Europa seien die Luftreinhaltungsmaßnahmen in der Industrie bereits sehr erfolgreich, weshalb mittlerweile der viel schwerer zu regulierende Straßenverkehr neben den privaten Haushalten für den größten Teil der Feinstaubbelastung verantwortlich sei. Seit immer mehr Dieselfahrzeuge unterwegs seien, sei auch die Ozonbelastung wieder gestiegen. Die Selbstzünder stoßen nicht nur Ruß, sondern auch Stickstoffdioxid aus. Dieses zerfällt bei Sonneneinstrahlung in Stickstoffmonoxid und Ozon. „Wir brauchen nicht immer mehr Katalysatoren, sondern weniger Individual- und mehr öffentlichen Verkehr“, sagt Schultz.

In den Schwellenländern müssten dagegen nicht nur Verbesserungen in der Industrie und beim Verkehr erzielt werden, sondern auch im Bereich der Infrastruktur. So entstehe etwa in Neu-Delhi die Hälfte der Aerosole nicht aus Abgasen, sondern aus aufgewirbeltem Staub, weil die meisten Straßen noch nicht asphaltiert sind. Daher hält er die Studie seines Kollegen für wichtig: „Sie rüttelt wach und zeigt, dass wir unbedingt mehr tun müssen, auch wenn das für die Menschen in den armen Ländern im Moment noch Luxussorgen sind.“