Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Auf den Straßen, die aus Lugansk herausführen, passiert der Bus immer wieder zerstörte Häuser, vielerorts sind alle Fensterscheiben geborsten. Einige Male muss der Fahrer Schlangenlinien um kleine Krater in der Straße fahren. „Das war die ukrainische Armee“, sagt Genadi. „Sie treffen nicht immer das, was sie treffen wollen. Es heißt aber auch, dass sich die Separatisten mit ihren Raketenwerfern in Wohngebieten verstecken würden – aber wer weiß das schon.“ Am Stadtrand fährt die Marschrutka an einem zerschossenen Wohnblock vorbei. Genadi zeigt mit dem Finger darauf: „Was erwartet man von Menschen, deren Haus von ukrainischen Raketen zerschossen worden ist – dass sie die Ukraine lieben?“

 

Kurz hinter der Stadtgrenze rumpelt der Bus auf den ersten, mit Sandsäcken bewehrten Kontrollposten der Separatisten zu. Breitbeinig stehen die Männer da, manche in Sturmhauben, die Gewehre schussbereit. Einer der Kämpfer schlendert auf die Marschrutka zu, eine grimmige Miene, ein abschätzender Blick in den Innenraum, ein kurzes Winken: weiterfahren. Die Soldaten sind beschäftigt, denn auf der Gegenfahrbahn stauen sich die Fahrzeuge. Seit der Waffenstillstand für die Region ausgehandelt worden ist, kehren immer mehr Flüchtlinge nach Lugansk zurück. Sie lassen sich nicht davon abhalten, dass das Leben in der Stadt noch immer eine unsägliche Qual ist – auch davon nicht, dass es immer wieder Kämpfe in und um Lugansk gibt. Zurück treibt sie die Angst, dass ihre verlassenen Wohnungen geplündert werden, die Sorge um Verwandte oder einfach die Tatsache, dass sie im Rest der Ukraine keinen Unterschlupf gefunden haben.

Ab und an steigen Rauchsäulen in den Himmel

Der Bus rollt weiter, draußen erstrecken sich nicht enden wollende Maisfelder, immer wieder muss der Fahrer an Kontrollposten anhalten. Es erschließt sich nicht, nach welchem militärischen System diese Checkpoints entlang der Straße aufgebaut sind. Ab und an steigen weit entfernt am Horizont Rauchsäulen in den Himmel. „Kein Beschuss“, murmelt der Fahrer und gibt eine kurze Einführung in die Grundlagen der Kriegskunde. „Wäre dort etwas explodiert, ein Auto, ein Panzer oder ein Haus, wäre der Rauch dicht, schwarz und schwer. Das aber ist hellgrauer Rauch, das ist wahrscheinlich ein Bauer, der nach der Ernte sein Feld angezündet hat.“

Dann steht eine einsame Kuh angebunden am Straßenrand, weit und breit kein Mensch, kein Haus. Mit aberwitziger Geschwindigkeit jagt der Fahrer den Bus durch die ärmlichen Dörfer, wo alte Mütterchen auf Kisten sitzen und Kartoffeln säubern oder ihre Vorgärten hacken. Der Boden in dieser Region ist dunkel und fruchtbar – die Beschreibung der Ukraine als unerschöpfliche Kornkammer, hier trifft sie zu. Manchmal muss der Busfahrer bremsen, weil ein mit Weizen überladener Lastwagen fast die ganze Straßenbreite einnimmt. Die friedliche Eintönigkeit der Landschaft wirkt wie ein Betäubungsmittel, niemand redet, man starrt aus dem Fenster, hängt Gedanken nach.

Breitbeinig, selbstsicher, Gewehre im Anschlag

Alle Not und alles Elend in Lugansk sind längst vergessen, da meldet sich der Krieg zurück. Der Fahrer nimmt den Fuß vom Gas, schaltet zurück, von Weitem schon hat er den quer stehenden Radpanzer auf der Straße erkannt, am Turm flattert eine ukrainische Fahne. Nun füllen sich die zusammengesunkenen Körper der Fahrgäste wieder mit Leben. Langsam rollt die Marschrutka auf die Soldaten zu. Die stehen da, breitbeinig, selbstsicher, Gewehre im Anschlag, ein Panzer nimmt das Fahrzeug ins Visier. Immer wieder werden Geschichten über den jämmerlichen Zustand der ukrainischen Armee erzählt – diese martialischen Männer verströmen nicht den Eindruck, als seien sie unmotiviert, schlecht ausgebildet und miserabel ausgerüstet. Ein kurzer Wortwechsel zwischen Fahrer und Kommandeur, die Pässe werden kontrolliert, dann geht es weiter. Dieses Spiel wiederholt sich noch zweimal auf dem Weg in Richtung Charkow.

Stopps an den Kontrollposten der Separatisten

Auf den Straßen, die aus Lugansk herausführen, passiert der Bus immer wieder zerstörte Häuser, vielerorts sind alle Fensterscheiben geborsten. Einige Male muss der Fahrer Schlangenlinien um kleine Krater in der Straße fahren. „Das war die ukrainische Armee“, sagt Genadi. „Sie treffen nicht immer das, was sie treffen wollen. Es heißt aber auch, dass sich die Separatisten mit ihren Raketenwerfern in Wohngebieten verstecken würden – aber wer weiß das schon.“ Am Stadtrand fährt die Marschrutka an einem zerschossenen Wohnblock vorbei. Genadi zeigt mit dem Finger darauf: „Was erwartet man von Menschen, deren Haus von ukrainischen Raketen zerschossen worden ist – dass sie die Ukraine lieben?“

Kurz hinter der Stadtgrenze rumpelt der Bus auf den ersten, mit Sandsäcken bewehrten Kontrollposten der Separatisten zu. Breitbeinig stehen die Männer da, manche in Sturmhauben, die Gewehre schussbereit. Einer der Kämpfer schlendert auf die Marschrutka zu, eine grimmige Miene, ein abschätzender Blick in den Innenraum, ein kurzes Winken: weiterfahren. Die Soldaten sind beschäftigt, denn auf der Gegenfahrbahn stauen sich die Fahrzeuge. Seit der Waffenstillstand für die Region ausgehandelt worden ist, kehren immer mehr Flüchtlinge nach Lugansk zurück. Sie lassen sich nicht davon abhalten, dass das Leben in der Stadt noch immer eine unsägliche Qual ist – auch davon nicht, dass es immer wieder Kämpfe in und um Lugansk gibt. Zurück treibt sie die Angst, dass ihre verlassenen Wohnungen geplündert werden, die Sorge um Verwandte oder einfach die Tatsache, dass sie im Rest der Ukraine keinen Unterschlupf gefunden haben.

Ab und an steigen Rauchsäulen in den Himmel

Der Bus rollt weiter, draußen erstrecken sich nicht enden wollende Maisfelder, immer wieder muss der Fahrer an Kontrollposten anhalten. Es erschließt sich nicht, nach welchem militärischen System diese Checkpoints entlang der Straße aufgebaut sind. Ab und an steigen weit entfernt am Horizont Rauchsäulen in den Himmel. „Kein Beschuss“, murmelt der Fahrer und gibt eine kurze Einführung in die Grundlagen der Kriegskunde. „Wäre dort etwas explodiert, ein Auto, ein Panzer oder ein Haus, wäre der Rauch dicht, schwarz und schwer. Das aber ist hellgrauer Rauch, das ist wahrscheinlich ein Bauer, der nach der Ernte sein Feld angezündet hat.“

Dann steht eine einsame Kuh angebunden am Straßenrand, weit und breit kein Mensch, kein Haus. Mit aberwitziger Geschwindigkeit jagt der Fahrer den Bus durch die ärmlichen Dörfer, wo alte Mütterchen auf Kisten sitzen und Kartoffeln säubern oder ihre Vorgärten hacken. Der Boden in dieser Region ist dunkel und fruchtbar – die Beschreibung der Ukraine als unerschöpfliche Kornkammer, hier trifft sie zu. Manchmal muss der Busfahrer bremsen, weil ein mit Weizen überladener Lastwagen fast die ganze Straßenbreite einnimmt. Die friedliche Eintönigkeit der Landschaft wirkt wie ein Betäubungsmittel, niemand redet, man starrt aus dem Fenster, hängt Gedanken nach.

Breitbeinig, selbstsicher, Gewehre im Anschlag

Alle Not und alles Elend in Lugansk sind längst vergessen, da meldet sich der Krieg zurück. Der Fahrer nimmt den Fuß vom Gas, schaltet zurück, von Weitem schon hat er den quer stehenden Radpanzer auf der Straße erkannt, am Turm flattert eine ukrainische Fahne. Nun füllen sich die zusammengesunkenen Körper der Fahrgäste wieder mit Leben. Langsam rollt die Marschrutka auf die Soldaten zu. Die stehen da, breitbeinig, selbstsicher, Gewehre im Anschlag, ein Panzer nimmt das Fahrzeug ins Visier. Immer wieder werden Geschichten über den jämmerlichen Zustand der ukrainischen Armee erzählt – diese martialischen Männer verströmen nicht den Eindruck, als seien sie unmotiviert, schlecht ausgebildet und miserabel ausgerüstet. Ein kurzer Wortwechsel zwischen Fahrer und Kommandeur, die Pässe werden kontrolliert, dann geht es weiter. Dieses Spiel wiederholt sich noch zweimal auf dem Weg in Richtung Charkow.

„Die Soldaten haben inzwischen Routine“, sagt Genadi. Noch vor wenigen Wochen seien die Kontrollen weniger professionell abgelaufen – vor allem auf Seiten der Separatisten. Man sei sich nicht immer sicher gewesen, sagt Genadi, ob man es an manchen Kontrollpunkten nicht mit einfachen Banditen zu tun gehabt habe.

Die Lenin-Statue ist nicht mehr da

Inzwischen ist es dunkel geworden, die Marschrutka schiebt sich durch den dichten Verkehr in Charkow. Nichts erinnert daran, dass nur drei Stunden weiter ein blutiger Krieg tobt. Vorbei geht es am überfüllten McDonald’s, dem neuen, hell erleuchteten Historischen Museum und dem Monument „Slawa Ukraini“, Ruhm der Ukraine, angestrahlt von riesigen Scheinwerfern. Der Bus hält am Maidan Swobodi. Am anderen Ende des überdimensionierten Platzes der Freiheit duckt sich ein leerer Sockel. Vor wenigen Tagen stand dort noch eine Lenin-Statue, ukrainische Nationalisten haben sie gestürzt.

Genadi schlägt sich beim Aussteigen den Mantelkragen hoch. Nach einem ungewöhnlich heißen Sommer ist es inzwischen kalt geworden. „In Lugansk gibt es nur noch ein funktionierendes Kraftwerk“, sagt er nachdenklich. „Wie soll meine Familie dort den Winter überstehen?“ Dann schlendert er davon, seine leere Tasche unterm Arm. Zumindest Genadi hat sein normales Leben wieder.