Hier werden Nudeln vor den Augen des Kunden gewickelt, wird Bier gebraut und Brot gebacken: Eataly, das neue, riesige Gourmetkaufhaus in Rom, hofft auf mindestens so viele Besucher wie das Kolosseum.

Rom - Das Erzeugen „sauberer und gerechter“ Lebensmittel, das kann harte Arbeit sein. Der junge, kahlköpfige Römer da hinter dem weiß bemehlten Tisch, der tupft sich den Schweiß von der Stirn und versucht, mit allerlei Gymnastik seinen verspannten Nacken, die Schultern und die Arme zu lockern.

 

Maccheroni dreht er gerade, von Hand, eine nach der anderen: Ein Stück Teig über einen langen Draht wickeln – irgendwie muss das Loch ja in den Nudelschlauch kommen –, alles hin- und herwälzen, Draht raus, das zarte Gebilde vorsichtigst ablegen. Acht bis zehn Stunden am Tag knetet er Nudeln, sagt der junge Mann. Zu seinem Glück, sagt er lächelnd, sind es nicht nur Maccheroni, sondern auch Agnolotti und Orecchiette und Tortellini und alle anderen Formen, die in Italiens weiter Pasta-Landschaft jemals erfunden worden sind.

Die neue Filiale soll der weltweit größte Markt seiner Art sein

Das öffentliche Nudelwickeln gehört zum Konzept von Eataly, dem vierstöckigen Supermarkt für italienische Qualitätslebensmittel, der – kürzlich eröffnet – aus einer heruntergekommenen römischen Bahnhofshalle einen Glitzertempel für Gourmets gemacht hat.

„Eataly Rom“, das soll weltweit der größte Supermarkt seiner Art sein, größer als seine bisher neun Brüder in Italien, größer als die neun in Tokio und viermal so groß wie der Ableger in New York, der in Manhattan nach dem Empire State Building und dem Metropolitan Museum of Art seit 2008 angeblich das drittpopulärste Touristenziel geworden ist. Fünf Millionen Besucher pro Jahr – so viele sollten auch in Rom locker erreichbar sein, sagt der Eataly-Gründer Oscar Farinetti: Fünf Millionen Besucher pro Jahr zählt auch das Kolosseum, bisher das Maß aller Dinge.

Mit seiner Philosophie der „guten, sauberen, gerechten“ Lebensmittel folgt Farinetti dem Konzept der populären Slow-Food-Bewegung. „Das Echte“ will Farinetti zeigen. Ehrlich soll’s zugehen, handwerklich, transparent. Deshalb werden nicht nur Nudeln vor Ort gedreht, sondern es wird auch Bier gebraut, Nussnugat-Creme gerührt und direkt aus der Maschine gezapft, Brot aus Sauerteig gebacken (nicht aus industriell gefrorenen Rohlingen) sowie der Büffelmozzarella gekäst – live, jede Minute frisch, und sofern die Milch reicht, auch über all die 14 Stunden hinweg, die Eataly tagtäglich geöffnet ist.

Roberto Battaglia, der Mozzarella-Produzent, durfte übrigens auch deswegen in den Gourmettempel einziehen, weil er in den Augen Farinettis neben Qualität noch einen anderen „italienischen Wert“ verkörpert: den Widerstand gegen die Kriminalität. Als einer von wenigen Unternehmern hat Battaglia zuhause in Caserta, Kampanien, die Schutzgelderpresser von der Camorra angezeigt.

Industrie-Pasta ist auch nicht viel billiger

Alles unerschwinglicher Luxus also? „Luxus schon. Aber wir sind kein Ferrari, wenn, dann ein Fiat 500 oder ein Smart“, sagt Oscar Farinetti. Seine Preise könne sich jeder leisten: „Inzwischen hat ein Meer von Leuten bei uns kapiert, dass der Unterschied zwischen einem industriell-billigen Teller Pasta und einem Qualitätsgericht nur zehn Cent beträgt.“ Den Wein vom Fass dazu gibt’s bei Eataly schon von zwei Euro an pro Liter – und mit zehn Prozent Rabatt für Rentner.

Farinetti will, dass die Kunden verstehen und schätzen, was sie zu sich nehmen. Dass sie wissen, woher die Lebensmittel kommen und wie sie entstehen. An die 700 Erklärtafeln hat er aufgehängt, Bildungsreisen zum guten Essen bietet er an. Ihn ärgert eines: „Kaum ein Drittel der Italiener kennt den Unterschied zwischen Weich- und Hartweizen. Aber wenn es ums Auto geht, dann wissen 60 Prozent, was ABS bedeutet“, sagt er.

Das Eataly soll das Disneyland der Schönheit Italiens sein

Dabei sieht sich der 57-jährige Farinetti, der in seinem früheren Leben eine Handelskette für Haushaltsgeräte und Elektronik aufgebaut hat, durchaus selbstironisch. „Nur Schönheit“, sagte der kleine, rundliche, quirlige Mann neulich in einem Interview, werde Italien vor dem Verfall retten, und der Gourmettempel Eataly sei ein „Disneyland der Schönheit Italiens“. 80 Millionen Euro will er in die römische Bahnhofshalle investiert haben, und jenen „kleinen Bürokraten“, die die Eröffnung bis zuletzt unter vielerlei Vorwänden hätten verhindern wollen, denen habe er ganz einfach ausgerichtet: „Aus nicht jedem Affen ist ein Mensch geworden.“

Zum Konzept gehören neben Kochkursen und Kongresssälen auch die 23 Restaurantinseln innerhalb des Kaufhauses. Bummeln, essen, kaufen – Farinetti will nicht weniger, als seine Kunden „zum Orgasmus führen“. Das Fischlokal liegt gleich am Fischverkauf, das Steak zum Essen stammt von der Fleischtheke nebenan, die Kochtrupps kommen aus regionalen Osterien und wechseln teilweise im Monatstakt. Ganz oben, gleich unter dem Gewölbe der Halle aus Glas und Stahl, im „Ristorante Italia“, betätigen sich sogar Sterneköche. Der Ausblick über Rom sei „hinreißend“, verheißt der Prospekt. Nun ja: man sieht durchschnittliche Wohnblocks und furchtbar viele Bahngleise. Daran muss Oscar Farinetti noch arbeiten.

Oscar Farinettis Imperium

Filialen
: Das Eataly in Rom ist seit dem Start in Turin vor fünf Jahren schon das neunte Kaufhaus seiner Art in Italien. Neun weitere gibt es bereits in Tokio. 13 neue Filialen sind für Italien, Japan, Großbritannien, Nord- und Südamerika geplant. Deutschland – München genauer gesagt – soll 2014 an der Reihe sein.

Arbeitsplätze
: Oscar Farinetti und seine drei ebenfalls im Unternehmen tätigen Kinder beschäftigen derzeit 2300 Personen. In Rom haben sie mehr als 500 neue Arbeitsplätze geschaffen – vorerst für drei Monate. Wie es weitergeht, hängt vom Erfolg des Geschäfts ab. „Gerecht“ will Farinetti auch gegenüber seinen Mitarbeitern sein: Bei ihm bekommen sie 15 Monatsgehälter pro Jahr.

Umsatz:
Der Jahresumsatz der Gruppe, an der neben Farinetti noch drei italienische Erzeuger-Kooperativen beteiligt sind, lag im Jahr 2011 bei 220 Millionen Euro, für 2012 peilt Eataly 300 Millionen Euro an. Seine „Lebensmittel hoher Qualität“ bezieht die Gruppe nach eigenen Angaben zu einem Viertel von 19 Firmen, an denen sie selbst beteiligt ist, den großen Rest von 2000 weiteren Produzenten in Italien oder – bei Kaffee beispielsweise – über „fairen Handel“ aus Guatemala.