Der regionale Verkehrsausschuss hat am Mittwoch die Erhöhung der VVS-Tarife um durchschnittlich 1,9 Prozent akzeptiert. Er lehnt es aber ab, dass die Tickets für Pendler stärker steigen sollen, während beim 9-Uhr-Ticket der bestehende Tarif erhalten bleiben soll.

Stuttgart - Die Jahres- und Monatskarten für Jedermann und die Firmentickets sollen im VVS vom kommenden Jahr an teurer werden als ursprünglich geplant. Damit will der Verkehrs- und Tarifverbund auf den Beschluss des Aufsichtsrats der SSB reagieren, der einerseits die Tarifsteigerungen von 1,9 Prozent zum 1. Januar 2017 begrüßte, andererseits aber verlangte, den Preis für das 9-Uhr-Umweltticket von der Erhöhung auszunehmen. Damit dennoch insgesamt Mehreinnahmen in unveränderter Höhe erzielt werden können, was der SSB-Aufsichtsrat ausdrücklich forderte, bleibe nur eine deutlichere Preissteigerung bei den Jahres- und Monatskarten für Berufstätige – dem Jedermann- und dem Firmenticket. Dort beträgt der Aufschlag nun durchschnittlich 2,3 statt zwei Prozent – was einen Unterschied von bis zu 40 Euro ausmachen kann.

 

Das will der regionale Verkehrsaussschuss aber nicht mittragen: Er lehnte den zusätzlichen Aufschlag in seiner Sitzung am Mittwoch einmütig ab. „Eine zusätzliche Belastung der Arbeitnehmer gibt es mit uns nicht“, sagte der CDU-Regionalrat Rainer Ganske. Wenn die SSB das 9-Uhr-Ticket von Erhöhungen ausnehmen wolle, wogegen die Region nicht sei, dann müsse sie halt mit weniger Mehreinnahmen auskommen und dieses Risiko tragen, sagte er. Man könne nicht für den Freizeitbereich die Berufstätigen als treueste VVS-Kunden zur Kasse bitten.

Der Preis des 9-Uhr-Ticket sollte um 2,3 Prozent steigen, was rund 420 000 Euro mehr in die Kassen gespült hätte. Der SSB-Aufsichtsrat, in dem wie im VVS der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Vorsitz inne hat, begründete den Sonderweg beim 9-Uhr-Ticket damit, dass angesichts der Kapazitätsengpässe im morgendlichen Berufsverkehr, in denen die Busse, Stadt- und S-Bahnen oft proppenvoll sind, die Preise für Tickets außerhalb der Hauptverkehrszeiten, wenn es mehr Platz gibt, preislich attraktiver werden müssten.

Die Entscheidung, wer sich letztlich durchsetzt, fällt auf der Gesellschafterversammlung des VVS, die am 26. Juli in Stuttgart stattfindet. Die Stadt Stuttgart und die SSB haben dort die stärkeren Bataillone. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass die Vertreter des Verbands Region Stuttgart dort überstimmt werden. Insofern ist es wahrscheinlich, dass die Preise für die Tickets wie in der Tabelle für einige Tarifarten beispielhaft angegeben erhöht werden.

Laut dem komplizierten Verfahren zur Tarifanpassung (siehe Hintergrund) kann der regionale Verkehrsaussschuss die Erhöhung um 1,9 Prozent „nur“ zur Kenntnis nehmen. In der Debatte wurde deutlich, dass CDU, Grüne und Freie Wähler die Steigerung um 1,9 Prozent, die geringste seit 2001, akzeptieren, während SPD, Linke, FDP und Innovative Politik sie ablehnen. Sie begründeten ihr Nein damit, dass durch die seit Jahren steigendenden Nutzerzahlen ohnehin mehr Einnahmen in die VVS-Kassen flössen, der Kostendeckungsgrad durch die Ticketerlöse schon heute bei mehr als 60 Prozent liege und das S-Bahn- und Stadtbahnangebot wegen Unpünktlichkeit und S-21-Baustellen nicht optimal sei. Die Befürworter sprachen hingegen von einer „sehr moderaten Erhöhung“ (Grünen-Regionalrätin Eva Mannhardt) und verwiesen darauf, dass die öffentliche Hand einspringen müsse, wenn die Erhöhung nicht umgesetzt werde. „Es ist keine Perspektive, dieses Geld von den Kommunen zu holen“, sagte Bernhard Maier von den Freien Wählern. Die Tariferhöhung soll zu Mehreinnahmen beim VVS von 9,3 Millionen Euro führen. Wegen der Fahrgastzuwächse von rund drei Prozent in den vergangenen Jahren waren die Einnahmensteigerungen zuletzt immer mindestens doppelt so hoch wie angenommen.

Begrüßt wurde von den Regionalräten einhellig, dass die Erhöhungen für höhere Preisgruppen prozentual geringer ausfallen und dass der VVS von September an ein Azubiticket für das gesamte Netz für 59 Euro pro Monat anbietet, dessen Preis über den 1. Januar 2017 hinaus gilt. Gegen die Stimmen von SPD und FDP billigte der regionale Verkehrsausschuss auch das sogenannte Feinstaubticket. Damit sollen Erwachsene an Tagen mit Feinstaubalarm vom Herbst an Einzeltickets zum halben Preis, also wie ein Kinderfahrschein, lösen können. Das Land werde die Hälfte der Mindereinnahmen übernehmen, versprach VVS-Geschäftsführer Horst Stammler, die andere Hälfte bleibt an den Verkehrsunternehmen hängen. Das Feinstaubticket, für das CDU-Regionalrat Rainer Ganske den besser klingenden Namen „Guteluft- oder Frischluftticket“ vorschlug, wird netzweit gelten – also nicht nur für Fahrten nach Stuttgart. Der SPD-Regionalrat Thomas Leipnitz sieht dabei vor allem kritisch, dass notorische Autofahrer in den Genuss einer Verbilligung kommen und nicht die VVS-Dauernutzer: „Wir müssten eigentlich die Fahrgäste belohnen, die 365 Tage im Jahr mit dem ÖPNV fahren.“