Stabwechsel beim Bundesnachrichtendienst: Ernst Uhrlau geht, Gerhard Schindler tritt an – zum Missfallen seiner Partei, der FDP.

Berlin - Es hätten nach dem Start von Schwarz-Gelb nicht viele darauf gewettet, dass Genosse Ernst Uhrlau diesen Tag erleben würde. Kaum einer hatte erwartet, dass es der Sozialdemokrat als Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) schaffte, aus Altersgründen zu gehen. Gestern, an seinem 65. Geburtstag, belehrte er die Zweifler eines Besseren. Er trat ab, nicht zurück, nach drei Jahrzehnten Kampf gegen Terror und Kriminalität. Auch wenn es zuletzt noch mal eng wurde für Uhrlau, als im Sommer Baupläne des BND-Komplexes in Berlin verschwanden, die zwar wenig Brisantes enthüllten, aber eben doch als geheim klassifiziert waren.

 

Uhrlau war Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes und Polizeipräsident der Hansestadt, bevor er 1998 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt der rot-grünen Regierung wurde. Im Nahen Osten erwarb er sich bei der Vermittlung eines Gefangenenaustausches zwischen Israel und Hisbollah 2004 bleibende Verdienste. 2005 wurde er BND-Präsident. Auch ihm bescherte der schwer zu kontrollierende Dienst Skandale. Unter anderem wurde bekannt, dass der BND unter seiner Leitung E-Mails einer "Spiegel"-Reporterin abfing. Uhrlau wankte, aber er fiel nicht. Bis er am Mittwoch die Ziellinie überschritt.

Der stille Nachfolger

Der Jurist Gerhard Schindler wird nun folgen. Viel weiß man nicht über den Neuen, der aus dem Innenministerium nach Pullach wechselt und der den Dienst 2015 in seine neue, imposante Zentrale nach Berlin überführen soll. Ein Mr. Schweigsam sei Schindler, heißt es. An öffentlichen Auftritten war dem 59-Jährigen bisher nie gelegen. Derartige Eigenheiten mögen in anderen Funktionen bei der Karriere von Nachteil sein. Den Aufstieg Schindlers an die Spitze der am schwersten zu führenden Sicherheitsbehörde Deutschlands wird dies eher befördert haben. Inzwischen weiß man, dass Schindler verheirateter Vater eines Kindes und fitter als viele 30-Jährige ist. Es heißt, er jogge zehn Kilometer täglich. Er arbeitete beim Bundesgrenzschutz, sammelte Erfahrung beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), bevor er zwei Jahrzehnte im Bundesinnenministerium lernte, was man über das Böse wissen muss. Sogar der Geheimdienstverächter Hans-Christian Ströbele (Grüne) findet lobende Worte. Er habe auf ihn einen "besonnenen, nicht verbissenen Eindruck gemacht", sagte Ströbele.

Schindler gilt als präzise. Und als sicherheitspolitischer Hardliner. Zu seinen Förderern zählten Otto Schily (SPD), bei dem Schindler die Unterabteilung Terrorismusbekämpfung verantwortete, und Wolfgang Schäuble (CDU), der ihm die Abteilung "Öffentliche Sicherheit" übertrug und damit die Fachaufsicht über Bundeskriminalamt und BfV. Angst scheint Schindler nicht zu kennen. Man sagt ihm nach, er habe sogar gewagt, Schily zu widersprechen, der bekanntlich sein großes Talent für cholerische Ausbrüche sorgsam pflegte.

Kein Wunder, dass sich über die Beförderung des FDP-Mannes ausgerechnet die FDP am wenigsten freut, während SPD und Union voll des Lobes sind. Denn Schindler will all das, was Justizministerin Sabine Leutheusser Schnarrenberger nicht will: weit reichende Befugnisse für die Geheimdienste, Vorratsdatenspeicherung, Spionagetrojaner. Und so stemmte sich die FDP zunächst gegen Schindler, der von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fleißig beworben wurde. Aber Leutheusser-Schnarrenberger hatte schon die Kür des neuen Generalbundesanwalts verpatzt, bei der ihr erster Favorit, Stuttgarts Regierungspräsident Johannes Schmalzl, entnervt hinschmiss. Eine weitere Pleite wollte sie wohl nicht riskieren. Und so konnte ihr Parteifreund Schindler an ihr vorbeiziehen.