Kleine Prinzessinnen spielen mit Lego in Pink. Push-up-BHs gibt es für Achtjährige. Und seitdem im Fernsehen „Germany’s Next Topmodel“ zu sehen ist, halten sich immer mehr Mädchen für zu dick. All das nennt man Pinkifizierung. Der Ausdruck ist fast zu niedlich für das, was er bedeutet, glaubt die StZ-Autorin Katja Bauer.

Stuttgart - In gut vier Wochen ist Heiligabend. Und im Spielwarenladen wünscht man sich, farbenblind zu sein. Orgien in Pink wird es unter manchen Weihnachtsbäumen geben – immer dort, wo ein kleines Mädchen zu Hause ist. „Fairies“ und „City Life“ heißen die Mädchenlinien von Playmobil, bei denen kleine Elfenfiguren im magentafarbenen Kanu schwimmen, toupierte Frauengestalten als Friseurin, Modeverkäuferin oder Dekorateurin arbeiten. Der „Kidstylist“ ist im Sonderangebot: eine rosafarbene Spielkonsole, auf der Mädchen 50 Frisuren, Schminkeffekte und Accessoires ausprobieren sollen – mit integrierter Digitalkamera für Selbstporträts. Im Mädchenghetto von Lego „Friends“ ist alles lila, die Figuren – laut Werbung Freundinnen für immer – begegnen sich in der Bäckerei, auf der Yacht oder im Reitstall und blicken sanft aus riesigen, geschminkten Augen.

 

„Früher gab es Monchichi für alle“, sagt die Hamburger Genderforscherin und Dozentin Stevie Schmiedel. Die Zeiten sind vorbei. Die Werbewirtschaft hat Gender-Marketing entdeckt: eine nach Geschlecht getrennte Vermarktungsstrategie. Spielzeug wird so gestaltet und beworben, dass es explizit entweder für Mädchen oder für Jungs gedacht ist. Denn wenn die Kinderwarenwelt aufgeteilt wird, dann kann im besten Fall pro Familie doppelt so viel verkauft werden.

Die gleichen Legosteine für Mädchen und Jungs? Vorbei . . .

Das war in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts anders. Die Lego-Werbung damals zeigte ein frech blickendes, pausbäckiges Mädchen mit Zöpfen und Latzhose nebst Bruder, beide halten stolz und egalitär ihre Bauwerke hoch. Heute wissen Kleinkinder allein aufgrund der Farbe ihrer Spielsachen, was für wen gemacht ist – und wovon man besser die Finger lässt. Stevie Schmiedel hat es im Kinderladen selbst erlebt: Heute kriegen Jungs schon Ärger von den anderen Kindern im Kindergarten, wenn sie eine Puppe in der Hand halten. „Bereits mit fünf Jahren sagt der eine Junge zum anderen: Das ist schwul.“ Im Hort von Schmiedels Töchtern finden Erzieherinnen es normal, den Mädchen in der Freizeit die Fingernägel zu lackieren. „Wie bin ich gelaufen?“, ist eine Standardfrage unter kleinen Mädchen, wenn sie den Laufsteg von „Germany’s Next Topmodel“ nachspielen. Schönsein wird für Mädchen zum Wert an sich und zum Daseinszweck erhoben. Der Wirtschaft kann das nur recht sein. Kinder und Jugendliche in Deutschland geben jährlich fünf Milliarden Euro für Kleidung und Schmuck aus.