Jagen, Paddeln, Holz hacken: Das neue Magazin „Walden“ will echte Männer ansprechen. Das Motto lautet: Die Wildnis beginnt vor der Haustür. Da kann man nicht nein sagen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - An Christi Himmelfahrt, dem inoffiziellen deutschen Vatertag, sind sie wieder unterwegs gewesen. Da können sich Kerle gleichzeitig unernst und wichtig nehmen: im Gänsemarsch dem Bollerwagen hinterdrein, mit dabei das Bierfass. Aber wenigstens kommen alle mal an die frische Luft und womöglich auch zu neuen Erkenntnissen: „Die Wildnis beginnt vor der Haustür.“

 

Das zumindest behaupten die Erfinder von „Walden“, einem Ablegermagazin von „Geo“ aus dem Hause Gruner & Jahr, in dem es von nun an zweimal im Jahr um „Die Lust an Natur und Draußensein“ geht. Wobei „Walden“ nicht der neue Plural von Wald ist, sondern der richtungweisende Titel von Henry David Thoreaus Buch, das ein Mann-will-mal-allein-sein-Experiment beschreibt. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts bezog der Schriftsteller Thoreau eine Blockhütteam Walden-See mitten im Wald in der Nähe von Concord, Massachusetts. Wenn er wollte, hatte Thoreau Anschluss; er war alles andere als ein Menschenfeind. Wenn er nicht wollte, hatte er seine Ruhe, hörte darauf, was ihm die Natur zuflüsterte und schrieb ein paar Gedanken dazu auf, die man besser versteht, sobald man seine dicke Zehe einmal selbst in den Walden Pond gehalten hat: „Wenn ein Mann nicht (Gleich)-Schritt mit seinen Kameraden hält, dann vielleicht deshalb, weil er einen anderen Trommler hört…“. Solche Sachen.

Hübsch entspannt und schön gemalt

Im Grunde genommen führt ein fast direkter Weg von „Walden“, dem Buch, zu Bob Dylan, dem Sänger, dessen drei Grundschrummelakkorde G-C-D einem in „Walden“, dem Heft, auch hübsch entspannt und gemalt nahegebracht werden. Eine gute Idee. Dass der tuberkulosekranke Thoreau mit 44 an einer Bronchitis starb, die er sich beim Nachtwandern im Regen geholt hatte, ist eine andere Geschichte.

Nun aber im Frühtau zu Berge, denn so geht das Heft in „Elf-Freunde“-Optik los, mit Höhen weit und Zelten klein im Bild und leichten layouterischen Lockerungsübungen. „Stilkritik: Das Eichhörnchen“, liest man oder: „Höhere Mathematik: Wann ist ein Berg ein Berg?“. Richtig ernst wird es mit dem ersten „ Mikroabenteuer“, das nach jenen Wanderregeln spielt, die Otfried Preußler in den „Abenteuern des starken Wanja“ seinem Outdoor-Helden und späteren Zaren mit auf den Weg gab: an geht aus dem Haus, hat den Rucksack geschultert und wirft an jeder Gabelung eine Münze. „Walden“ propagiert diese Exkursion („Einfach. Machbar. Vor der Haustür“) gewissermaßen als Grundkurs für das am Ende angestrebte Verlassen der Stadt, um sich höheren Weihen zu unterziehen.

Mit Bushcraft durch den Wald trekken

In dem Artikel „Zurück zu den Wurzeln“ beschreibt der Brite Alastair Humphreys, der bereits durch die ostafrikanische Danakil-Wüste getrekkt ist, nicht ohne Ironie, wie er mit seinem Freund Nick loszieht, um sich tagelang von den Früchten des Waldes zu ernähren. Bushcraft heißt das auf Neudeutsch. Allerdings hatten die Naturburschen nicht bedacht, dass es im Mai für Keimlinge zu spät, für Nüsse und Früchte indes noch zu früh ist. Humphreys empfiehlt die Samen der Ferkelnuss (Carya glabra). Das ist schön, aber auch ein Lapsus beim Texttransfer. Denn nach diesem uramerikanischen Hickory-Laubbaum wird der Samensammler hierzulande vergeblich suchen. So oder so bleibt ihm eine Genugtuung, wenn er sich „nach Wald und Lagerfeuer stinkend“ wieder unter die so genannten Zivilisierten mischt: „Ich war nicht weg von zu Hause, doch war ich weit von der Gesellschaft entfernt.“

Es gibt auch eine Versuchsküche für Männer

Das ist das echte Walden-Gefühl und man kriegt es auch im – natürlich selbst gebauten – Kanu zu fassen, zum Beispiel bei einer Havel-Tour. Wer dann rechtschaffen müde ist, dem empfiehlt die Versuchsküche im Heft die „25-Minuten-Bolognese“. Vegetarisch wäre sie wohl noch hinzukriegen, kaum aber mit den stundenlang transportierten „250 Gramm vom Rind“ im Gepäck. Es sei denn, man möchte mit dem Kanu direkt ins Krankenhaus weiter fahren. Schluss mit „Landlust“.

Man muss sich das Magazin „Walden“ auch als Antwort vorstellen auf das gleichnamige Heft, dessen aktuelle Ausgabe wieder sehr niedlich ausgefallen ist: mit weich gezeichneten Apfelbäumchen und Idyllen unterm Reetdach. „Landlust“ war der nach Auflagenzahlen gelungene Versuch, Städter daran zu erinnern, dass man das Grüne domestizieren kann. „Walden“ hingegen versucht, die Sinne dafür zu schärfen, dass man das Grüne außerhalb der Stadt einfach lassen muss. Notfalls kämpft man sich mit der Klinge durch. Der dazugehörige Artikel heißt „Mein Freund, dass Messer“. Und nein, es reicht nicht, dass man ein Karohemd der von „Manufactum“ vertriebenen Marke Pike Brothers trägt.

Die Gestaltung meidet Klischees weitgehend

Schön an „Walden“ ist, dass die Gestaltung solche Klischees weitgehend meidet und von den Äußerlichkeiten wegzukommen sucht, wozu etliche Frauen beitragen. Auch in der Natur ist der Mann schließlich nicht so gerne alleine, wie sich den sehr schönen, aufklappbaren Tagebuchaufzeichnungen und Zeichnungen des Künstlers Matthew Rangel entnehmen lässt. Er tourt quer durchs Karwendel und man möchte sofort hinterher. Hier hätten wir nun die Vatertagsalternative für nächstes Jahr: Engalm oder Lamsenjochhütte, gleich hinter der Waldeinsamkeit, wo man – ganz im Sinne Thoreaus – einen anderen Trommler hört.