Der Appetit auf Frühling wächst. Wir sind auf Märkten und in Küchen unterwegs gewesen. Nach einer Saison mit Kürbis, Kohl und Chicorée kommt endlich frische Ware in die Töpfe und auf die Teller.

Stuttgart - Das Warten auf den Frühling zieht sich kulinarisch noch etwas in die Länge. Doch vom winterlichen Kürbis oder Chicorée haben die Menschen jetzt genug, und so langsam bringen heimischer Spargel, diverse Blattsalate und Kräuter frische Abwechslung an den Marktständen. Ein bisschen frühlingshaft geht es auch schon bei Sebastian Werning in seiner kleinen Küche in der Boteca di Vino in Botnang zu, wo er gerade in einem Risotto rührt. Das Ganze kombiniert er später mit grünem Spargel, Brunnenkresse und gebeiztem Lachs. Gerne veredelt er das Gericht auch mal mit Zitronenschale oder Orangen-Confit. „Man will jetzt einfach keine Rüben und Kohl mehr sehen“, sagt Werning, der auf regionale Produkte setzt und deshalb bei Erdbeeren noch wartet, bis die Königin der Beeren auf deutschen Feldern geerntet wird.

 

Unter seinen Händen wird demnächst auch wieder Rhabarber-Buttereis entstehen, er macht aus dem Knöterichgewächs aber auch pikantes Gemüse. Der gebürtige Bielefelder steht für Kreativität und Leidenschaft am Herd. Im Frühjahr wechseln bei Werning aber nicht nur die Zutaten, sondern auch die Zubereitung ist anders. „Es wird jetzt eher gedünstet und gedämpft statt geschmort“, sagt der Koch. Das Fleisch wird kurz gebraten, so passt es besser zum Gemüse. In den kommenden Wochen wird er seine Menüs Schritt für Schritt der neuen Jahreszeit anpassen. Das gilt auch für die Weine. Die Ideen für neue Rezepte findet er beim Schlendern über den Markt. „Am Schreibtisch fällt mir dazu wenig ein“, sagt Werning. Der Vater von drei Kindern muss sich jetzt noch ein wenig gedulden, ehe er die Schätze aus seinem eigenen Garten ernten kann: Fenchel oder Zwiebeln zum Beispiel. Und auf seinem Garagendach gedeihen wunderbare Blattsalate.

Spargel ist der Frühjahrsklassiker

Sabine Brand-Lässig freut sich auch schon auf die Kräuterernte in ihrem Garten, die ihre Kunden dann im Bio-Restaurant Lässig in der Gerokstraße genießen dürfen. Spargel ist auch hier der Frühjahrsklassiker, weil er recht viele Vitamine und Folsäure hat und zudem kalorienarm ist. „Wir müssen aber noch etwas warten, weil der Biospargel noch nicht so weit ist“, sagt Brand-Lässig. Sie setzt ebenfalls auf Produkte aus der Region, bezieht das Fleisch und Geflügel aus Hohenlohe. Nur beim grünen Spargel macht sie mal eine Ausnahme – der darf dann auch mal aus Italien sein. Aktuell tüftelt sie zusammen mit Joachim Latsch gerade das Ostermenü aus. Auf der Karte gibt es schon Bärlauchspätzle, und der Frühling spiegelt sich auch in Salatkreationen wieder.

Auf dem Stuttgarter Wochenmarkt ist das erste Gemüse aus geschütztem deutschem Anbau bereits erhältlich. Auch beim Stand von Susanne Raff aus Filderstadt ist alles im grünen Bereich. „Die Leute gieren richtig nach dem Frühlingsgemüse, es ist ja auch besonders zart, frisch und aromatisch“, sagt Raff, die seit bald dreißig Jahren auf dem Schillerplatz verkauft. Eiszäpfchen, rosa Radieschen, Lauchzwiebeln und vier verschiedene Gurkensorten kann sie anbieten, die man mit Möhren farbenfroh kombinieren kann.

Flower Sprouds kommt gut an

Die ersten frischen Kräuter wie Bärlauch, Sauerampfer und Brunnenkresse dürfen natürlich auch nicht fehlen. Sehr beliebt bei ihren Kunden ist auch die Mischung für die Frankfurter Grüne Soße. Aber auch ein Winterkind namens Flower Sprouds kommt immer noch gut an, eine Mischung aus Wirsing und Rosenkohl. Mit Zwiebeln, Gemüsebrühe und Sahne verfeinert schmeckt das gut zu Spaghetti.

Den ersten Rhabarber findet man am Stand von Andreas Stetter aus Waiblingen, der auch Blattspinat und Salate im Angebot hat. „Der Februar war verhältnismäßig mild, und deshalb ist die Natur in diesem Jahr etwas früher dran“, sagt Stetter. Aber Vorsicht bei der Zubereitung – den größten Fehler, den man mit frischem Frühlingsgemüse machen kann, ist, es zu verkochen.

Gläschen mit Rhabarber-Chutney

Eingekocht wird bei Birgit Neusser in ihrer Manufaktur in der Landhausstraße. In den Regalen der Landfrau stehen schon einige Gläschen mit Rhabarber-Chutney. „Die Grillsaison beginnt ja jetzt auch, und das passt hervorragend zu Fleisch“, sagt Neusser. In den Räumen bietet sie Kochkurse an; derzeit kann man lernen, wie man Bärlauch und Brennnesseln zu einem Pesto verarbeitet. Bärlauch riecht nach Schnittlauch, Knoblauch und Zwiebeln, wenn man ihn roh im Salat isst. Wird er erhitzt, verliert er etwas Schärfe und erinnert an Spinat. Gerade bei den Brennnesseln sind die Berührungsängste sehr groß.

Viele haben eine Abneigung gegen das wilde Gewächs. Neusser erntet nur die zarten Triebe. Die jungen Blätter schmecken herbwürzig, und sie versorgen unseren Körper mit dem lebenswichtigen Vitamin C sowie mit Eisen und beleben die Frühlingsküche. In ihrem Garten wachsen insgesamt 32 Kräuter, die sie das ganze Jahr verwendet – entweder frisch oder getrocknet. Das kann man riechen und auch schmecken. Höchste Zeit, alle Sinne auf den Frühling einzustimmen.