Immer mehr Politiker und Wissenschaftler läuten das Totenglöckchen für den Verbrennungsmotor. Für Mahle-Entwickler Andreas Pfeifer ist das jedoch mehr Ansporn als Entmutigung.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Stickoxide, Feinstaub, geschönte Verbrauchs- und Emissionswerte – der Verbrennungsmotor produziert viele Negativschlagzeilen. In einer Bundesratsinitiative fordern die Länder sogar ein Verbot ab 2030. Wie fühlt man sich da als jemand, der sich von morgens bis abends mit Otto- und Dieselmotoren beschäftigt? Nicht schlecht, meint Andreas Pfeifer. Die wachsende Kritik ist für den 1970 geborenen Ingenieur, der beim Stuttgarter Zulieferer Mahle die weltweite Entwicklung von Motorkomponenten verantwortet, „erst recht ein Ansporn, auch beim Verbrennungsmotor wettbewerbsfähig zu bleiben“.

 

Denn der sei allen Unkenrufen zum Trotz längst nicht reif für das Altenteil, sagt der promovierte Maschinenbauer. Auf dem Sideboard in seinem Büro ist eine Auswahl von Bauteilen zu sehen, die im Inneren von Otto- und Dieselmotoren arbeiten: Kolben, Ventile, Nockenwellen. Wenn Pfeifer beschreibt, welchen gewaltigen Drücken und Temperaturen diese Teile ausgesetzt sind, ist ihm seine Begeisterung anzusehen. „In meinem Job braucht man einfach ein Herz für Motoren“, sagt er.

Pfeifer nimmt einen Stahlkolben der neuesten Generation in die Hand. Er ist mattschwarz und deutlich flacher als ein Kolben aus Aluminium, dem bisher dominierenden Material. Trotzdem ist der neue Kolben wegen der höheren Festigkeit von Stahl mindestens so stabil wie einer aus Alu. Je flacher der Kolben, desto kleiner sind die Flächen, die bei der Auf- und Abwärtsbewegung im Motor aneinander reiben, erläutert Pfeifer.

Die große Zukunft der Verbrennungsmotoren

Allein die Reibung zwischen Kolben und Zylinderwand ist nach seinen Worten für rund ein Drittel des mechanischen Widerstands im Verbrennungsmotor verantwortlich. „Da lässt sich noch einiges verbessern“, sagt Pfeifer – nicht nur über die Kolbengröße, sondern auch über die Oberflächenstruktur. Daneben gibt es viele weitere Stellschrauben. Etwa Nockenwellen, mit denen sich die Steuerzeiten von Ein- und Auslassventilen verändern lassen, oder Hohlventile, die von innen mit Natrium gekühlt werden. All das dient dazu, mehr Leistung aus der gleichen Menge an Kraftstoff zu holen.

Die weitere Verbesserung von Motoren und Abgasreinigung reiche aber nicht aus, meint Pfeifer. Mindestens ebenso wichtig seien die Kraftstoffe. Der Entwickler ist überzeugt: „In Kombination mit regenerativen Treibstoffen hat der Verbrennungsmotor noch eine große, CO2-neutrale Zukunft.“ Er denkt an synthetischen Sprit, der mithilfe von Ökostrom hergestellt werden könnte. So ließen sich nicht nur die Treibhausgasemissionen senken, auch der Ausstoß an anderen Schadstoffen sei geringer als bei Sprit aus Erdöl.

Fahrverbote sind keine Lösung

Ein Verbot von Verbrennungsmotoren hält Pfeifer für falsch. „Ich bin für einen fairen Wettbewerb der Antriebssysteme“, sagt er. Die Politik müsse Emissionsziele vorgeben, die die komplette Kette von der Energiegewinnung bis auf die Straße umfassen. „Dann wird man sehen, mit welcher Technik man die Ziele am besten erreicht – mit Verbrennungsmotoren, Elektroantrieben oder mit der Brennstoffzelle“, so Pfeifer.

Auch mit Blick auf Hybridautos, die elektrisch und konventionell angetrieben werden, könnte der Verbrennungsmotor nach 2030 noch nötig sein. Das Gleiche gelte für Lastwagen, wo sich viel höhere Reichweiten und höhere Nutzlasten erreichen ließen als mit Batterien.

Auch in der Freizeit lässt der Verbrennungsmotor Pfeifer nicht los. Kürzlich hat er den Motor eines Oldtimer-Geländemobils vom Typ Steyr Puch Haflinger überholt, derzeit arbeitet er an einem alten Schiffsdiesel. Trotz seiner Begeisterung sieht er die Grenzen von Otto- und Dieselaggregaten. „Wenn ich lokal, also etwa in Großstädten, emissionsfrei fahren will, führt an Elektromobilität kein Weg vorbei“, sagt Pfeifer. Auch Mahle ist mittlerweile auf diesem Feld tätig und liefert etwa den Elektroantrieb für den Renault Twizy; Motorkomponenten machen bereits jetzt weniger als die Hälfte des Umsatzes aus. Es werde aber auch in 50 Jahren noch Regionen geben, „in denen es ohne den Verbrennungsmotor nicht gehen wird“.