Die US-Rückrufaktion von VW nährt Zweifel an der ganzen Branche. Die Deutsche Umwelthilfe glaubt, dass die Branche bei den Emissionswerten systematisch trickst.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nachdem VW wegen Manipulationen bei Abgastests und der Verletzung von Emissionsgrenzen in den USA von den Behörden zum Rückruf von 500 000 Dieselfahrzeugen aufgefordert wurde, gerät die deutsche Autobranche insgesamt ins Zwielicht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die Bundes- und Landesbehörden auf, die Auflagen zur Luftreinhaltung auch hierzulande durchzusetzen. Der Öko-Verband, der seit Langem gegen die Überschreitung von Abgas- und Feinstaubgrenzwerten kämpft, kündigte Klagen zur Durchsetzung von Fahrverboten an. Wegen teils starker Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzen hat die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

 

Laut DUH-Hauptgeschäftsführer Jürgen Resch stellen nicht nur VW und Audi, sondern auch andere deutsche Hersteller ihre Fahrzeuge so ein, dass sie Stickstoffdioxid-Grenzwerte im Test einhalten, im Normalbetrieb auf der Straße jedoch deutlich höhere Emissionen ausstoßen. „Auch die in Stuttgart ansässigen Hersteller programmieren ihre Autos so, dass diese erkennen, wenn Sie auf einem Abgasprüfstand stehen. Nur dann halten Sie die Grenzwerte ein“, sagte Resch gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Nicht nur bei VW und Audi, sondern auch bei BMW, Mercedes, Ford und Opel gibt es laut Umwelthilfe dieses Problem. Die Organisation reklamiert für sich, die US-Umweltbehörde, auf deren Initiative hin die US-Rückrufaktion bei VW eingeleitet wurde, auf die Manipulationen der Abgaskatalysatoren deutscher Hersteller gestoßen zu haben.

„Neben Dieselruß sind Stickstoffdioxide das zweite Dieselabgasgift, das für jährlich viele Tausend Todesfälle verantwortlich ist“, erklärt Resch. „Selbst die modernsten Euro-6-Diesel-Autos vergiften zum Beispiel im Stuttgarter Kessel die Luft ähnlich stark wie 15 Jahre alte Fahrzeuge. Unabhängige Messungen haben ergeben, dass moderne, deutsche Diesel-Pkw auf der Straße über sieben Mal mehr Stickstoffdioxid emittieren als erlaubt;manche Fahrzeuge liegen sogar 25-fach über den gesetzlichen Grenzwerten“, setzt er hinzu.

VW und Audi haben laut offiziellen Angaben Anfang September gegenüber den US-Behörden eingestanden, dass ihre Autos „mit Geräten ausgestattet sind, die das Emissionskontrollsystem umgehen, überwinden oder außer Funktion setzen“. Das geht aus dem Brief der US-Umweltschutzbehörden vom 18. September an VW und Audi hervor, der der StZ vorliegt. Eine solche Abschalteinrichtung verstoße sowohl gegen Bundesrecht als auch gegen kalifornische Gesetze, heißt es dort. VW nimmt die Vorwürfe nach eigenen Angaben ernst und will mit den US-Behörden kooperieren. Im schlimmsten Fall droht dem Konzern eine Schadenersatzzahlung von 18 Milliarden Dollar (37 500 Dollar pro Fahrzeug, umgerechnet etwa 33 000 Euro).

Der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zeigte sich alarmiert. „Das ist äußerst ernst zu nehmen“, betonte er. Jetzt müssten auch das Bundesverkehrsministerium und die EU-Kommission den Vorwürfen nachgehen, forderte er. „Da die US-Behörde weitere Ermittlungen auch gegen andere Autobauer angekündigt hat, kann man derzeit nichts ausschließen.“ Ein Daimler-Sprecher sagte, von weiteren Untersuchungen sei dem Unternehmen nichts bekannt. Gegen Daimler gebe es jedenfalls keine solche Ermittlungen. „Wir gehen davon aus, dass sich alle bei uns gesetzeskonform verhalten haben“, sagte er.

Die Umwelthilfe wirft dem Bund und der Landesregierung vor, bei der Durchsetzung der EU-Abgasnormen zu versagen. Kanzlerin Angela Merkel wirft sie einen „Schmusekurs mit den Autobossen“ vor. „Meine Forderung an die Landesregierung ist, die gesetzlich möglichen Kontrollmessungen vorzunehmen und allen schmutzigen Diesel die Einfahrt in die Umweltzonen des Landes zu verbieten“, forderte Resch im Gespräch mit der StZ. „Die Landesregierung sollte die Vorstandschefs der Autokonzerne im Ländle dazu auffordern, nur noch Fahrzeuge auszuliefern, die die Grenzwerte auch auf der Straße einhalten.“